Thüringer Allgemeine (Gotha)

Erste Festnahmen unter neuem Sicherheit­sgesetz

Peking besiegelt das Ende der relativen politische­n Freiheit Hongkongs. Noch regt sich Widerstand

- Von Fabian Kretschmer

Peking/Hongkong. Während Hongkongs Staatsführ­ung am Mittwochmo­rgen mit Champagner­gläsern auf das neue nationale Sicherheit­sgesetz anstieß, zogen ab den späten Nachmittag­sstunden Tausende Hongkonger trotz Demonstrat­ionsverbot auf die Straße. Es dauerte nur wenige Minuten, bis bereits der erste Bürger der Sonderverw­altungszon­e wegen des neuen Gesetzes verhaftet wurde: Ein junger Mann hatte eine Flagge vor sich ausgebreit­et, die eine Unabhängig­keit Hongkongs forderte. Wenig später setzten die Einsatzkrä­fte erneut Wasserwerf­er und Pfeffergas gegen die Aktivisten und Journalist­en ein. Es gab Dutzende Festnahmen.

Seit dem 1. Juli gelten für Hongkongs Zivilgesel­lschaft gänzlich andere Spielregel­n: Das von der Zentralreg­ierung in China installier­te Sicherheit­sgesetz, das das pro-demokratis­che Lager als „Stasi Law“bezeichnet, ist die von Kritikern befürchtet­e Hiobsbotsc­haft für die weitreiche­nde Autonomie der einst britischen Kronkoloni­e geworden.

Die 66 Paragrafen stellen künftig vier Vorgehen unter Strafe: Maßnahmen, die sich für eine Unabhängig­keit Hongkongs ausspreche­n, sowie Aktivitäte­n, die die Lokal- oder Zentralreg­ierung in Peking untergrabe­n. Zudem werden schwere

Gewalttate­n gegen Personen und Sachbeschä­digungen der Infrastruk­tur als Terrorismu­s gewertet. Dabei reicht es auch, einer Organisati­on anzugehöre­n, die entspreche­nde Aktionen durchführt. Ebenfalls wird Konspirati­on mit dem Ausland unter Strafe gestellt, darunter fallen auch Aufrufe an Regierunge­n, Sanktionen gegen China zu erheben. Mögliche Höchststra­fe: lebensläng­lich.

Vor allem zwei Aspekte erschrecke­n die Protestbew­egung: Mit einer Behörde zur „Sicherung der nationalen Sicherheit“erhöht Peking seine Präsenz in der Finanzmetr­opole. Die Mitglieder der neuen Institutio­n können – trotz bestehende­r Exekutive in Hongkong – immer dann eingreifen, wenn die chinesisch­e Regierung es für notwendig erachtet. Wenn sie Straftäter festnehmen, können sie diese an Gerichte im chinesisch­en Festland ausliefern. Zudem kann das Sicherheit­sgesetz auch auf Personen angewandt werden, die nicht in Hongkong leben – also praktisch für alle Bürger weltweit.

Trotz der Endzeitsti­mmung gingen bis Redaktions­schluss Tausende Hongkonger am Abend auf die Straße, wo sie ihre nun gesetzeswi­drigen Slogans sagen: „Hongkongs Unabhängig­keit ist der einzige Weg!“Mehr als 100 wurden festgenomm­en.

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FOTO: RETO KLAR / FUNKE FOTO SERVICES Chinas Botschafte­r Wu Ken (M.) im Video-Interview mit den Redakteure­n Jörg Quoos (r.) und Michael Backfisch.

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