Ernst Wilhelm Arnoldi – ein Visionär aus Gotha
Gespräch mit Christopher Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Allgemeine Versicherung AG, zu 200 Jahren Versicherungsbank
Gotha. Am 2. Juli vor 200 Jahren beschlossen weitsichtige Männer um Ernst Wilhelm Arnoldi die Satzung der „Versicherungsbank des deutschen Handelsstandes“in Gotha. Zur 200-jährigen Wiederkehr zeigt das Deutsche Versicherungsmuseum in Gotha eine Sonderschau. Darüber spricht Christopher Lohmann, Chef der Gothaer Allgemeine Versicherung, im Interview.
Sie nutzen die Gelegenheit für einen Besuch in der Stadt und werden zur Eröffnung einen Vortrag über Gegenseitigkeit halten. Wie wichtig ist dieses Thema heute?
Es ist für uns von ganz, ganz großer Bedeutung. Wir feiern das Ereignis als Konzern. Geplant war ein dreitägiges Fest, nämlich ein Kongress und ein Familienfest und auch ein großes Nachbarschaftsfest am Standort Zollstock in Köln. Durch das Corona-Virus können wir all das nicht verwirklichen, versuchen aber das Beste daraus zu machen. Wer durch unsere Räume geht, sieht, welche wichtige Rolle Arnoldi hier in Köln für uns einnimmt. Wir sind ordentlich stolz darauf.
Mit der Satzung wurde erstmals eine Feuerversicherung gegründet, die auf Gegenseitigkeit beruht. Arnoldi wollte sie auf ganz Deutschland ausdehnen. Wie hat dies das Versicherungswesen verändert?
Die Antwort darauf ist eindeutig: Sehr stark! Der Gedanke der Versicherung
auf Gegenseitigkeit ist überaus lebendig. Und wenn man sich die Zahlen der vergangenen zehn Jahre anschaut, haben die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit beachtlich zugelegt und mit über 36 Prozent des gesamten Beitragsaufkommens mehr als ein Drittel der Marktanteile erobert. Das ist eine Seite, die andere ist die Vielzahl illustrer Geschäftsmodelle. Und alles lässt sich auf Arnoldi zurückführen. Darauf kann die Stadt Gotha wirklich stolz sein.
Arnoldi reagierte auf die Anforderungen der Zeit, in der die Industrialisierung ihren Fortgang nahm. Ein Visionär aus Gotha?
Ganz klar, Arnoldi war ein weitsichtiger Mann. Mit seinem Wirken hat er den deutschen Versicherungsmarkt ein Stück weit vom Londoner Markt unabhängig gemacht. Und das ist bis heute noch ein Thema, denn der Versicherungsmarkt in der englischen Hauptstadt spielt international eine sehr große Rolle. Aber in Kontinentaleuropa hat man sich abgekoppelt. Mit anderen Worten: Wir sind in der Lage, mit einem ausgeprägten Versicherungswesen die Risiken im Land abzusichern. Eben dank Arnoldi.
Wie viel Arnoldi steckt heute noch in der Gothaer Gruppe?
Jede Menge! Bis in die Gegenwart ist sie ein Versicherer des deutschen Mittelstands. Dieser ursprüngliche Kern, dass Kaufleute und Gewerbetreibende sich wechselseitig Versiim cherungsschutz vermitteln, hat 200 Jahre später noch Gültigkeit. Es ist gelungen, das durch die Verwerfungen der Jahre zu bewahren.
In Gotha übernahm Kurt Jannot erstmals das Amt des Vorstandsvorsitzenden der AG. Sie stehen also in direkter Tradition.
Das ist in der Tat ein wichtiges Thema für mich. Ich stehe da voller Demut vor dieser großen, langjährigen Geschichte. Und die wurde geprägt durch sehr prominente Manager. In deren Tradition zu stehen, bedeutet für mich sehr viel. Deshalb schaue ich auch mit Dankbarkeit auf das Amt, das ich hier führen darf.
Was bewegt Sie bei dieser Geschichte besonders?
Ich führe die Sachversicherung, die von der inhaltlichen Komponente eine Weiterentwicklung dessen ist, was in Gotha begründet wurde, eben heute vor 200 Jahren. Ich bin mir bewusst: Dies ist eine geliehene Verantwortung, der wir versuchen,
Team gerecht zu werden und sie in die Zukunft zu übertragen.
Das Versicherungsmuseum ist in dem Gebäude untergebracht, in dem die Gothaer Jahrzehnte ihre Geschäfte betrieb. Welche Bedeutung hat es für die Zentrale in Köln?
Wir hatten selber mal ein Museum in Köln betrieben, das aber ziemlich schnell wieder geschlossen wurde. Das Museum in Gotha ist von enormer Wichtigkeit für uns. Wir haben etliche Exponate beigesteuert, die in der Ausstellung zu sehen sind. Neben dem Museum ist die Verbindung zu Gotha durch Oberbürgermeister Kreuch gegeben, der nicht nur in der Mitgliederversammlung vertreten ist, sondern im Präsidium sitzt, also einer der drei zentralen Köpfe der Mitgliedervertretung ist. Und nicht zuletzt fühlen sich unsere Vertreter mit der Stadt verbunden, deren Namen unsere Versicherung trägt. Sie treffen sich hier oft zu ihren Vertreterversammlungen. Es ist uns wichtig, die Tradition in Gotha hochzuhalten.
Was werden Sie sich in der Stadt noch ansehen?
Ich komme jetzt zum dritten Mal nach Gotha und werde früher anreisen, um mir die Stadt anzusehen. Mal sehen, was ich unter CoronaBedingungen besuchen kann im wunderschönen Gotha. Klar, dass ich mir in Ruhe die Ausstellung im Versicherungsmuseum anschauen werde, die sich „200 Jahren Feuerversicherung aus Gotha“widmet.