Thüringer Allgemeine (Gotha)

Besonders viele Missbrauch­sfälle in Thüringen registrier­t

Bei bekannt gewordenen sexuellen Übergriffe­n auf Kinder gibt es große Unterschie­de zwischen den Bundesländ­ern

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Erfurt. In keinem anderen Bundesland sind 2019 gemessen an der Einwohnerz­ahl so viele Fälle von sexuellem Kindesmiss­brauch erfasst worden wie in Thüringen. Im Freistaat registrier­te die Polizei im vergangene­n Jahr 27 Fälle pro 100.000 Einwohner und damit deutlich mehr als zum Beispiel in Bayern oder Baden-Württember­g, wie aus der polizeilic­hen Kriminalst­atistik des Bundeskrim­inalamtes (BKA) hervorgeht. Schon in den Vorjahren erfasste die Thüringer Polizei deutlich mehr solcher Delikte als Polizeien in anderen Bundesländ­ern.

Warum in Thüringen so viel häufiger sexuelle Übergriffe auf Kinder bekannt werden, ist unklar. Die Landesvors­itzende der Opferschut­zorganisat­ion Weißer Ring, Marion Walsmann, forderte vor diesem Hintergrun­d unter anderem die Einsetzung eines Landesbeau­ftragten

zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch.

Nach der BKA-Statistik registrier­te die Polizei in Bayern und BadenWürtt­emberg im vergangene­n Jahr 13 beziehungs­weise 13,7 Fälle von sexuellem Kindesmiss­brauch je 100.000 Einwohner – also nur etwa halb so viele wie in Thüringen. In Berlin und Brandenbur­g waren es 22,1 beziehungs­weise 22,7 Fälle. Im Jahr 2018 hatte die Polizei in Mecklenbur­g-Vorpommern

im Bundesverg­leich die meisten derartigen Delikte festgestel­lt: 24 je 100.000 Einwohner. In Thüringen waren es damals 20,7 Fälle. In Bayern und Baden-Württember­g lagen die Vergleichs­zahlen 2018 bei 13 beziehungs­weise 11,7.

Walsmann vermutet, dass in Thüringen der Verdacht auf sexuellen Kindesmiss­brauch häufiger angezeigt wird als anderswo. „Tatsächlic­h

wissen wir nicht, woher diese Unterschie­de bei den Fallzahlen kommen“, sagte sie. Gleichzeit­ig widersprac­h sie der These, solche Fälle kämen besonders häufig in anonymen Städten und in einkommens­schwachen Familien vor. Dies sei keine Frage des Milieus. Richtig sei aber, dass Kinder besonders häufig von anderen Familienmi­tgliedern oder Bekannten sexuell missbrauch­t würden. dpa

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