Was vom Gelde übrig blieb
An diesem Dienstag berät das Thüringer Kabinett den wichtigsten Gesetzentwurf dieser Wahlperiode: den Haushalt für das nächste Jahr. 11,3 Milliarden Euro soll das Land ausgeben, ein nicht geringer Teil soll über Kredite finanziert werden. Denn parallel zu dem Haushaltsplan liegt der Regierung noch der Entwurf für den Nachtragshaushalt für dieses Jahr vor, mit dem 1,82 Milliarden Euro von den Banken geborgt werden sollen.
Von diesem Schuldenfestival konnte noch zu Jahresbeginn niemand etwas ahnen, trotz einer sich abkühlenden Wirtschaftssituation wirkte die finanzpolitische Lage beim flüchtigen Blick prima. Das Land hatte in der gerade abgelaufenen Wahlperiode nie dagewesene 1,8 Milliarden Euro in der Reserve angehäuft und nebenher 1,2 Milliarden Euro an Altschulden getilgt, womit die sowieso gesunkene Zinslast nochmals niedriger wurde. Damit, da waren sich alle Beteiligten gewiss, würde sich ordentlich haushalten lassen.
Weder wusste man damals, dass der frisch gewählte Landtag, so wie es jetzt aussieht, nur eineinhalb Jahre existieren würde. Noch glaubte man ernsthaft daran, dass das Virus, das gerade in einer chinesischen Provinz entdeckt worden war, eine Jahrhundertpandemie auslösen würde, einschließlich aller sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Folgen.
Und so muss die Landesregierung erstmals seit 2011 neue Schulden beschließen, und dies auch noch im Rekordumfang. Vorbei ist die historische Hochkonjunkturphase in der neuen Geschichte Thüringens, in der erstmals Einnahmen und Zuschüsse reichten, um alle Ausgaben zu decken, und in der sogar am Ende immer noch etwas übrig blieb.
In dieser Zeit brauchten die Koalitionsparteien Linke, SPD und Grüne, im Unterschied zu den Vorgängerregierungen, keine wirklich harten Entscheidungen zu treffen. Jeder Streit ließ sich mit ein paar zusätzlichen Millionen für Kommunen, Kindergärten oder Kleinkläranlagen lösen. Die verkorkste Gebietsreform wurde genauso in Geld ertränkt wie der verunglückte Verwaltungsumbau. Entsprechend stiegen die Personalkosten.
Das ist nun vorbei, obwohl es die Beteiligten erst einmal nicht verstehen wollten. Die Anmeldungen der
Ressorts, die während der CoronaKrise im Finanzministerium eintrudelten, summierten sich auf mehr als zwölf Milliarden Euro. Um das zu finanzieren, hätte das Land wohl sogar drei Milliarden Euro Schulden aufnehmen müssen.
Der Streit musste erst eskalieren, bis man sich in der Mitte traf. Das Land soll nun 2021 ungefähr so viel ausgeben wie in diesem Jahr, plus 277 Millionen für Allfälliges wie Tarifsteigerungen – und plus 300 Millionen für ein sogenanntes Konjunkturpaket, das aber eigentlich eine Art Überlaufventil für Forderungen ist, die sich nicht im Etatplan durchsetzen ließen.
Dann folgt das Parlament, wo die Haushaltsberatungen so schwierig werden wie noch nie seit 1990. Da erstmals eine Regierung keine Mehrheit im Landtag besitzt, muss die Koalition mit der CDU reden. Die sogenannte Stabilitätsvereinbarung, geschlossen in den Wirren des Thomas-KemmerichInterregnums, stellte den 2021erHaushalt in ihr Zentrum.
Die Union, das hat bei ihr inzwischen Tradition, steht vor einem unentrinnbaren Dilemma. Sie muss gerade während der Pandemie den Etat ermöglichen, zum einen, weil Krise ist, und zum anderen, weil niemand bei klarem Verstand ohne Haushaltsbeschluss den Landtag auflösen kann. Und sie muss für ihre Basis und Wählerschaft inhaltlich liefern.
Wie soll das gehen? Am einfachsten wäre es noch für die CDU, das angebliche Konjunkturpaket zu kippen. Einen Teil der 300 Millionen könnte sie den klammen Kommunen schenken, den anderen Teil bei der Schuldenaufnahme einsparen. Hinzu käme ein Änderungsantrag hier und ein Änderungsantrag dort; das Übliche halt.
Viel mehr ist nicht drin. Die wieder hervorgekramte Forderung der CDU, die Schuldenbremse in die Landesverfassung zu schreiben, obwohl sie in Thüringen bereits Gesetz ist und im Grundgesetz steht, soll bloß von diesem traurigen Befund ablenken.
Denn schon in guten Zeiten, das weiß die Union nur zu gut, liegt die vom Parlament verschiebbare Finanzmasse bei wenigen hundert Millionen Euro, der übergroße
Rest ist durch langfristige Verpflichtungen, Bundesgesetze oder EU-Richtlinien gebunden. Und dies sind, zumindest finanzpolitisch betrachtet, schlechte Zeiten.