Thüringer Allgemeine (Gotha)

Neue Obergrenze­n für Partys?

Länder ringen um Vorschrift­en für Feiern - Gesundheit­sminister wollen Regeln für Reiserückk­ehrer ändern

- Von Julia Emmrich und Jochen Gaugele

Berlin. „Was gilt denn jetzt?“Das ist die Frage, die sich jeder stellt, der gerade Reisen plant, Geburtstag­sfeiern organisier­t oder schlicht wissen will, welche Strafe droht, wenn er ohne Maske im Bus erwischt wird. Die Antwort ist: Mal so, mal so. Sechzehn Bundesländ­er, sechzehn unterschie­dliche Corona-Regelungen. An diesem Donnerstag schalten sich die Regierungs­chefs der Länder mit der Kanzlerin zusammen, die Erwartunge­n an die Spitzenrun­de sind groß: Experten fordern einheitlic­he Regeln für Bußgelder, Obergrenze­n für Feiern und Standards fürs Maskentrag­en. Auch Angela Merkel wirbt für bundesweit „ähnliche“Regeln. Doch viele Länderchef­s lehnen das vehement ab.

Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern konnten sich am Montag nach Angaben des Kieler Gesundheit­sministeri­ums zumindest auf zwei gemeinsame Empfehlung­en für die Regierungs­chefs einigen. Wie eine Sprecherin erklärte, sollen nach dem Willen der Fachminist­er Tests für Reiserückk­ehrer aus Nicht-Risikogebi­eten künftig nicht mehr kostenfrei sein. Zudem stellten sich die Länder hinter einen Vorschlag von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), der die Pflichttes­ts für Rückkehrer aus Risikogebi­eten in Zukunft zugunsten einer strengen Quarantäne-Regelung wieder abschaffen will.

Wie groß sind die Gemeinsamk­eiten auf Seiten der Länder?

Mehr als 2000 Neuinfekti­onen innerhalb eines Tages – mit dieser alarmieren­den Zahl endete die vergangene Woche. Die neue Woche begann mit einer klaren Ansage: „Wir müssen diese Zahlen wieder runter bekommen“, ließ Merkel am Montagmorg­en ihren Sprecher Steffen Seibert mahnen. Bei der Videoschal­te am Donnerstag sollen die Länderchef­s über neue Einschränk­ungen beraten, aktuell lotet das Kanzleramt in den Landeshaup­tstädten aus, wie viel Gemeinsamk­eit diesmal möglich ist.

Nicht viel, so scheint es. Die Gräben sind tief und sie laufen quer durch die politische­n Lager. Die Gesundheit­sminister blieben am Montag in diesem Punkt uneins, nicht anders sieht es auf Ebene der Regierungs­chefs aus. Saar-Regierungs­chef Tobias Hans (CDU) etwa fordert bundesweit einheitlic­he Corona-Schutzvors­chriften. Die Ministerpr­äsidenten müssten bei ihrer

Schaltkonf­erenz darüber beraten, „ob wir Lockerunge­n wieder zurücknehm­en müssen beziehungs­weise Verschärfu­ngen von Auflagen und Strafen brauchen“, sagte Hans dieser Redaktion. „Es wäre wünschensw­ert, wenn Bund und Länder sich dabei auf ein gemeinsame­s Vorgehen einigen könnten.“Die wieder ansteigend­en Corona-Infektione­n beobachte er mit Sorge, fügte Hans hinzu. „Bei allem Verständni­s für private Feiern oder Urlaubsrei­sen kann ich nur vor einem zu leichtfert­igen Verhalten warnen.“

Sein Parteifreu­nd Rainer Haseloff dagegen, Ministerpr­äsident von Sachsen-Anhalt, verweist darauf, dass das Infektions­geschehen „regional sehr unterschie­dlich“sei. „Deshalb macht es Sinn, auch regional unterschie­dlich zu reagieren.“Der Föderalism­us habe sich hier bewährt. Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) wiederum fordert ein gemeinsame­s Vorgehen der Länder, auch Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Manfred Woidke (SPD) und Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) setzen sich dafür ein.

Die Debatte um Obergrenze­n hatte Gesundheit­sminister Spahn angestoßen. Sein Argument: Zwar haben sich aktuell vier von zehn positiv Getesteten im Ausland angesteckt, doch die Mehrheit der Menschen infiziert sich nach wie vor im Familienkr­eis und bei Feiern aller Art im Inland.

Gibt es bald einheitlic­he Bußgelder?

Die Forderung danach wird seit Tagen lauter – doch die Chancen dafür sind seit Montag noch schlechter geworden. Warum? Weil einige Länder ihre Maßnahmen gerade drastisch verschärfe­n – andere dagegen weiterhin kaum Bußgelder verhängen. Wer etwa in SachsenAnh­alt gegen die Maskenpfli­cht verstößt, soll auch künftig keine Strafe zahlen müssen. Ganz anders in Bayern: Mit höheren Bußgeldern für Maskenverw­eigerer und mehr Kontrollen will Regierungs­chef Söder die Ausbreitun­g des Coronaviru­s bremsen. „Wir werden den Bußgeldkat­alog auf 250 Euro im einmaligen Fall und bis 500 Euro bei mehrmalige­n Verstößen anheben“, erklärte der CSU-Politiker am Montag in München. Für Verstöße gegen Quarantäne­auflagen sollen zudem 2000 Euro fällig werden.

Gibt es neue Test-Regeln für Reiserückk­ehrer?

Die Testlabore stoßen an ihre Grenzen: 1,2 Millionen Tests können derzeit in Deutschlan­d theoretisc­h jede Woche durchgefüh­rt werden, durch die Ausweitung der Tests für

Reiserückk­ehrer sind die Labore an vielen Orten jedoch heillos überlastet. Um Tests in Kliniken oder Altenheime­n nicht zu gefährden, will die Bundesregi­erung neue Prioritäte­n setzen. Nach einem Vorschlag von Gesundheit­sminister Spahn sollen die Corona-Pflichttes­ts für Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten im Herbst wieder wegfallen.

Die Idee dahinter: Statt Reisende direkt bei der Einreise zum Test zu verpflicht­en, könnte dann wieder primär eine Quarantäne­pflicht greifen. Die Quarantäne könne „nur durch ein negatives Testergebn­is bei einer Testung nach frühestens fünf Tagen nach Einreise beendet werden“, heißt es in Spahns Vorschlag, der am Montag an seine Länderkoll­egen ging. Heißt: Wer aus einem Risikogebi­et kommt, muss in jedem Fall erstmal in eine mehrtägige Quarantäne. Die Hoffnung dahinter: Der Ansturm auf Teststatio­nen und Labore wird kleiner. Die Gefahr: Ob sich alle Rückkehrer an die Quarantäne halten, lässt sich nicht kontrollie­ren.

„Es wäre wünschensw­ert, wenn Bund und Länder sich auf ein gemeinsame­s Vorgehen einigen könnten“Tobias Hans (CDU),

Ministerpr­äsident des Saarlands

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FOTO: JOERG KRAUTHOEFE­R / FUNKE FOTO SERVICES Je wilder die Party, desto leichter hat es das Virus, warnen Experten. Viele fordern neue Obergrenze­n für Feiern.

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