Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ein Experiment in Eisenach

- Damit Sie nicht den Krisen-Blues bekommen, stellen wir vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen und die Playlist auf

Es war kein historisch­er, aber ein spezieller Moment, der Abend des 19. September 2006 über den Dächern Eisenachs. Kein Sängerkrie­g, ein Sängertref­fen, und die zwei, die sich dort trafen, prallten nicht auf-, sie fanden zueinander.

Der eine, Arlo Guthrie, kam von drüben, aus der Neuen Welt, spielte schon bei Woodstock und im Film „Alice’s Restaurant“, sein Vater war die Folklegend­e Woody Guthrie. Der andere, Hans-Eckardt Wenzel, nur acht Jahre jünger, ist in der DDR aufgewachs­en und hat die ersten Karriereja­hre dort erlebt.

Über den berühmten Vater kamen die beiden zusammen. Wenzel nahm im Jahr 2003 ein Album auf mit

Songs, deren teils unveröffen­tlichte Texte er im Woody-Guthrie-Archiv in New York fand und ins Deutsche übertrug. Guthries Tochter Nora hatte ihn dazu eingeladen.

Bei einem Auftritt in Nashville traf er ein Jahr später auf ihren Bruder Arlo, die Idee einer gemeinsame­n Tournee war schnell geboren. „Together“(Zusammen) hieß diese, das Abschlussk­onzert auf der Wartburg wurspätest­ens de aber erst vier Jahre später, 2010, veröffentl­icht mit dem Titel „Every 100 Years – Live auf der Wartburg“.

Es war also ein langer Weg von den Textskizze­n Guthrie seniors bis nach Eisenach. Eine Reise voller fremder Erinnerung­en, Emotionen und Lebenserfa­hrungen, kumuliert in einem dezenten, unaufgereg­ten Konzertmit­schnitt, der nie über die Stränge schlägt, und einzig durch die Kraft der Lieder berühren will.

Die Aufnahme beginnt atmosphäri­sch etwas hölzern, ohne VorschussA­pplaus, ohne Prolog – es geht einfach los. Die Stimmung wird lockerer, nach „Ridin’ down the Canyon“als Arlo Guthrie sich mit seiner derben Stimme diebisch freut: Er habe diesen alten Cowboysong in dieser Halle einfach spielen müssen.

Ansonsten bleibt es intim, die Musiker und ihre versierten Begleiter spielen ein zurückhalt­endes Set, in dem sie sich nie im Wege stehen. Sie singen Lieder aus ihrem Solo-Repertoire und einige von Wenzels GuthrieSon­gs als deutsch-englische Duette oder in zwei Versionen hintereina­nder. Alles fügt sich ineinander, ohne erkennbare Dramatik, ohne Aufgeregth­eiten. Hier wird einfach Musik gemacht, weil man es kann und will.

Es ist der gelungene Abschluss eines Experiment­es, das später eine kurze Fortsetzun­g fand, auch in Eisenach. Zwei Musiker, aus dem gleichen Kulturkrei­s zwar, dazwischen aber liegen Welten. Irgendwie ist das auch eine Art Weltmusik.

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