Die falsche Entscheidung
Nun hat Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) also die Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen verboten. Das ist ein mutiger Schritt, wenn man an die Debatten um die Teilnehmerzahl der jüngsten Proteste Anfang August denkt.
Das Verbot steht rechtlich auf wackeligen Beinen. Das Demonstrationsrecht war eines der ersten Grundrechte, die nach dem Lockdown aus gutem Grund wieder sichergestellt wurden. Selbst wenn es stimmt, dass Rechtsextreme die Protestbewegung infiltriert haben, ist Geisels Entscheidung aus mehreren Gründen falsch:
Erstens wegen der Bedeutung des Themas. Die Corona-Krise ist das wichtigste Problem der Gegenwart. Die Vorgaben des Staates stellen massive Eingriffe in Grundrechte und persönliche Freiheit der Bürger dar. Sie zu kritisieren und zu diskutieren, ist legitim.
Der zweite Grund ist ein strategischer. Die Organisatoren der Corona-Demonstrationen sehen sich ohnehin einem diktatorischen Regime gegenüber, das die Menschen durch die Auflagen gegen die Pandemie weiter unter seine Knute zwingen möchte. Das Verbot ist Wasser auf die Mühlen derer, die sich in Deutschland verfolgt fühlen und klagen, ihre Meinung nicht offen äußern zu dürfen, obwohl das ja ständig in sozialen Medien und auf anderen Kanälen passiert.
Der dritte Grund ist ein praktischer. Auch die Polizei wird Schwierigkeiten haben zu unterbinden, dass angereiste Protestler aus Reisebussen steigen, sich versammeln und spontane Aufzüge abhalten. Dazu werden sich Menschen solidarisieren, die gar nicht die Corona-Auflagen, wohl aber das Verbot ablehnen.
Es wäre klüger gewesen, den Veranstaltern klare Ansagen zu machen, Auflagen zu formulieren. Werden diese nachhaltig nicht befolgt, wird die Veranstaltung beendet und aufgelöst. Das ist zwar anstrengend, aber eben auch Routine für Berlins Polizei. Es sollte uns den Aufwand Wert sein, um Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht zu sichern – auch für Verächter des demokratischen Rechtsstaates.