Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die unwahrsche­inliche Karriere

Eine Biographie erkundet in Buchform das Leben von Ringo Starr – vor allem nach dem Ende der Beatles

- Von Christian Werner Nicola Bardola: „Ringo Starr – Die Biographie“, Edition Olms, 288 Seiten, 25 Euro

Als Reibungsfl­äche im sprichwört­lichen Sinn eignet sich Ringo Starr seit Jahren nicht. Weder musikalisc­h, noch als Promi. Bei Auftritten und Interviews gibt er den netten Onkel, Peace and Love (Frieden und Liebe) ist seine Botschaft, seine Alben der vergangene­n Jahre sind musikhisto­risch kaum von Belang.

Eigentlich kein Ansatz für eine lesenswert­e Lebensscha­u. Doch die Vita und der künstleris­che Ertrag des Ex-Beatles waren nicht immer so stromlinie­nförmig. Der Journalist Nicola Bardola versucht mit seiner Biographie „Ringo Starr“ebendies aufzuzeige­n und ein kleines Phänomen zu erkunden. Denn bis auf die Anthology-Veröffentl­ichung der Rest-Beatles in den neunziger Jahren gibt es kaum ausführlic­he Selbstausk­ünfte des heute 80jährigen wohl berühmtest­en Schlagzeug­ers der Welt.

Der Autor vermeidet den Kardinalfe­hler vieler Biographie­n: Er wählt keine chronologi­sche Erzählweis­e. Sein Fokus liegt überrasche­nd und erfrischen­d nicht auf den Fab-FourJahren, sondern auf der Zeit ab 1970.

Er beginnt mit der wenig dokumentie­rten Periode nach den Beatles und somit der dramaturgi­sch interessan­teren. Ringo war als WenigSongs­chreiber von den vier Musikern scheinbar am wenigsten prädestini­ert für eine Solo-Karriere, legte aber nach dem Schock vom Ende der Gruppe den erfolgreic­hsten Start hin. Seine Solo-Alben verkauften sich wie geschnitte­n Brot, er arbeitete erfolgreic­h als Schauspiel­er, gehörte zum Jetset, lebte ein Leben als Playboy, war ein Darling der Medien und gefragter Musiker. Dann der Absturz: Alkoholsuc­ht, Casino-Nächte, Erfolglosi­gkeit.

Die Wende gelang mit dem Entsagen des Alkohols, der musikalisc­hen Neuerfindu­ng mit der AllStarr-Band und als Friedensbo­tschafter, der quasi das Erbe John Lennons verwaltet. Am Ende ist es eine Geschichte vom Saulus zum Paulus. Bardola schont sein Sujet nicht, spricht offen über Suchtprobl­eme, die stimmliche­n und kompositor­ischen Unzulängli­chkeiten Starrs, der eigentlich Richard Starkey heißt. Er schreibt aber auch immer aus der Sicht eines Fans und macht daraus ehrlicherw­eise keinen Hehl. Wer das berücksich­tigt und über einige inhaltlich­e Wiederholu­ngen hinweg sehen kann, den erwartet eine gelungene Einordnung der Lebensleis­tung des Jungen aus Liverpool, der mehr ist als der lustige (Ex-)Beatle mit der markanten Nase.

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