Messi lässt Barca beben
Der argentinische Superstar will den Club aus Katalonien nach 20 Jahren verlassen
Barcelona. Es ist dann alles sehr schnell gegangen. Vor ein paar Tagen sagte der neue Trainer Ronald Koeman über Lionel Messi, den Star des FC Barcelona: „Mit seiner Qualität wird er seinen Platz bei der Entwicklung der Mannschaft schon finden.“Am Dienstagabend ließ Messi wissen, wo er diesen Platz sieht: außerhalb des Vereins.
Die per Einschreiben an die Vereinsspitze kommunizierte Wechselabsicht erschüttert den sowieso krisengeplagten FC Barcelona in seinen Grundfesten. „Die Wüste. Bitternis. Wut. Eine Zukunft ohne Zukunft“: So fasste die clubnahe Zeitung Sport die verbreitete Stimmungslage zusammen.
Am 14. Dezember 2000 hatten Vereinsverantwortliche bei einem Essen im Tennisclub von Barcelonas Hausberg Montjuic per Unterschrift auf einer Serviette bestätigt, den 13 Jahre alten Lionel für die Nachwuchsschule des Vereins zu verpflichten. Messi, damals kleinwüchsig, bekam zudem die Hormonbehandlung, die zu Hause in Argentinien unbezahlbar war.
Der Rest ist Geschichte. Unter anderem: 634 Tore, 34 Titel, sechs Auszeichnungen zum Weltfußballer und eine neue Form der Heldenverehrung im Fußball, wenn sich bis zu 99.000 Menschen im größten Stadion Europas mit langgezogenen Meeeessi-Rufen vor ihm verneigten wie vor einem Gott.
Jetzt aber ist man von der Serviette beim Einschreiben gelandet. Und bei den Anwälten. Messi informierte den Verein, eine Klausel zu ziehen, wonach er Barça diesen Sommer – ein Jahr vor Ablauf seines mit rund 100 Millionen Euro brutto jährlich dotierten Rekordvertrages – gratis verlassen kann. Als Frist zur Bekanntgabe des Ausstiegs war der 10. Juni fixiert; anderthalb Wochen nach dem vermeintlichen
Ende der Clubsaison.
Aber das Messi-Lager argumentiert, dass durch die Verschiebungen der Pandemie auch der Stichtag entsprechend nach hinten gerutscht sei.
Ablöse: 700 Millionen Euro
Barças Juristen sehen das ein wenig anders und betonen, er müsste für eine Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt die festgeschriebene Strafe von 700 Millionen Euro bezahlen. Aber was bringt’s? Soll sich der Verein auf einen Rechtsstreit mit seiner Ikone einlassen? Sportdirektor Ramón Planes bekräftigte am Mittwochnachmittag zwar die offizielle Linie, wonach „wir keinen Abgang von Lionel Messi in Betracht ziehen“. Hinter den Kulissen soll die Tendenz aber zum Versuch einer Einigung gehen über das, worüber man sich noch einigen kann – also einen anständig abgewickelten Transfer zu einem anderen Club mit einer Ablösesumme, die natürlich nicht bei 700 Millionen liegen kann.
Es ist das optimistischste Szenario, denn Messi scheint seine Karten gnadenlos zu spielen. Barças unglückseliger Präsident Josep Maria Bartomeu ist zu schwach, um sich einen offenen Konflikt mit dem frustrierten Vereinshelden leisten zu können.
Nach jahrelangen Skandalen, Managementwechseln und Fehlentscheidungen sah er sich bei den letzten Heimspielen vor der CoronaKrise einem Sturm der Entrüstung von den Tribünen gegenüber. Seitdem kamen noch eine verlorene Meisterschaft, das Aus in der Champions League gegen den FC Bayern (2:8) und nun die Causa Messi. Wäre das Camp Nou für Publikum geöffnet – ein Orkan würde über Bartomeu hinwegfegen. Nun blieb es bei kleineren Protesten vor den Stadiontoren, Rücktrittsforderungen der Opposition und der Ankündigung eines Misstrauensvotums.
Zuletzt trat Bartomeu ins Fettnäpfchen, als er öffentlich die Spielernamen verkündete, die nicht zur Debatte stünden beim angekündigten Großreinemachen. Messi gehörte dazu, sein Busenkumpel und Sturmpartner Luis Suárez nicht. Für Messi fiel der letzte Dominostein: Er werde, heißt es aus seinem Umfeld, am Sonntag nicht zum Auftakttraining erscheinen.
Schon vergangene Woche soll sich der Argentinier bei seinem früheren Trainer Pep Guardiola nach einem Interesse von Manchester City erkundigt haben. Auch Paris St.-Germain und Inter Mailand werden als Kandidaten genannt.
Messis letztes Spiel für Barcelona wird aller Voraussicht nach ein 2:8 bleiben: die größte Blamage der Vereinsgeschichte.