„Es herrscht Chaos“
Im Altenburger Land sind 17 Apotheken von der Insolvenz des Dienstleisters AvP betroffen
Altenburg. „Es ist ein Schlag wie aus heiterem Himmel, die Verluste kann man nicht mal ebenso aus der Hosentasche bezahlen. Die Versorgung mit Medikamenten wird darunter leiden“. Lutz Gebert, Inhaber von zwei Apotheken in Schmölln und Altenburg, hat die Pleite des Rezept-Abrechners AvP kalt erwischt. Allein im Altenburger Land trifft es 17 von 21 Apotheken, darunter auch die von Geberts Frau Sabine. Allein ihre und seine Verluste belaufen sich auf gut 250.000 Euro, andere kommen sogar auf ein Minus von 400.000 Euro und mehr. In ganz Thüringen trifft es laut Apothekerverband 80 Apotheken.
Bei Geberts liegt der Apothekerberuf in der Familie. Sein Großvater war noch selbstständiger Pharmazeut, seine Eltern Angestellte in der großväterlichen Apotheke, die in der DDR verstaatlicht wurde. Nach der Wende erfolgte die Rückübertragung, seit 1998 arbeitet Gebert als Selbstständiger, seit 1995 führt seine Frau die Wiera-Apotheke in Langenleuba-Niederhain.
Die Situation jetzt sei ernst, bei einigen Kollegen gehe es schlichtweg um die Existenz, sagt der Pharmazeut. „80 Prozent des Umsatzes sind Wareneinsatz, die Rechnungen dafür müssen bei den Großhändlern bezahlt werden. Einige Apotheken haben für August gar kein Geld gesehen, andere einen Bruchteil dessen, was ihnen zusteht. Da geht es am Ende um Jahre, die man umsonst gearbeitet hat“, so Lutz Gebert, der auch Sprecher der Apothekerschaft im Altenburger Land ist.
Den Apothekern beschert die Pleite ein böses Erwachen. Das Finanzierungsmodell und veraltete Strukturen hätten sie seit Jahren gezwungen, ein hohes Eigenrisiko zu tragen, urteilen Experten. Angesichts der unübersichtlichen Kassenlandschaft brauche man Abrechner wie AvP, sagt Gebert. Normalerweise werden Rezepte eingesammelt, mit den Krankenversicherungen
abgerechnet und das Geld an die Apotheken ausgezahlt. Nach der Insolvenz sei die Lage völlig unklar. Zwar hätten wohl die Kassen an AvP gezahlt, wie viel Geld davon aber überhaupt noch da ist, wo es ist und ob die vorgeschriebenen Treuhandkonten geführt wurden, sei noch völlig offen. Es herrsche Chaos, deshalb habe er seine Außenstände erst einmal abgeschrieben, so der Ostthüringer.
Das hat Konsequenzen. Zusammen beschäftigt das Ehepaar Gebert in seinen drei Apotheken 26 Mitarbeiter. Als erste Sparmaßnahme wurde die Auslieferung der hauseigenen Kundenzeitung drastisch reduziert. Derzeit verhandele er mit Großhändlern und Banken über alternative Zahlungsmodelle und Kreditlinien, sagt Gebert. „Bei Kollegen, bei denen das nicht möglich ist, wird man um Geschäftsaufgaben nicht herumkommen", vermutet der Apotheker.
So oder so rechnet Lutz Gebert mit Einschnitten in der Versorgung.
Weniger Geld heiße auch, dass weniger auf einmal eingekauft und vorgehalten werden kann. Das verlängere die Wartezeiten für Kunden. „Wir sind auf Gedeih und Verderb angehalten, unsere Lager abzuverkaufen", sagt der Apotheker. Bis wieder Einnahmen fließen. Beginnend mit der September-Abrechnung seien alle Altenburger Apotheker zum Abrechnungszentrum ARZ Darmstadt gewechselt. „Dort funktionieren Kontrolle und Treuhandkonten", so Gebert.
Das Land Thüringen hat inzwischen angekündigt, alles daranzusetzen, um die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung zu gewährleisten und betroffenen Apotheken gegebenenfalls mit Bürgschaften zu helfen. Schnell und unbürokratisch helfen will auch die Techniker Krankenkasse. Angeboten werden Sonderzahlungen an die neuen Dienstleister der Apotheken und vorgezogene Abschlagszahlungen. Außerdem würden die Abrechnungsfristen ausgesetzt.