Erster Opelwerk-Leiter: „Eisenach war die beste Zeit meines Lebens“
Der Stammtisch der Automobilwerker erinnert an den Anlauf der Vectra-Fertigung vor genau 30 Jahren
Eisenach. „Für mich war die Zeit in Eisenach die beste Zeit meines Lebens“, beginnt Jürgen Gebhardt nach knappen persönlichen Angaben seine Ausführungen zum Engagement der Adam-Opel-AG kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Eisenach.
Knapp 20 Zeitzeugen der ersten Stunde und Opel-Freunde würdigen am Montagabend mit ihrer Anwesenheit beim Eisenacher OpelStammtisch den Moment, als auf den Tag vor 30 Jahren das erste Westauto in Serie im Osten der Republik entstand.
Die Jubiläumfeier für den ersten Opel Vectra made in Eisenach lässt sich der erste Leiter des Eisenacher Opel-Werks nicht entgehen. „Ich habe in Eisenach viel gelernt – gelernt, mit Menschen umzugehen, die Großes hinter sich hatten“, denkt der Gast an die widrigen Bedingungen, mit denen die Werktätigen des VEB Automobilwerk Eisenach in den Jahren zuvor zurechtkommen mussten. „Ich hatte die Aufgabe, das Werk aufzubauen und dafür eine Mannschaft zusammenzustellen, die olympiareif sein sollte“, erinnert sich Jürgen Gebhardt schmunzelnd an damalige Vorgaben des Konzerns.
Anstatt ausschließlich Mittzwanziger herauszusuchen, entschied sich der erste Leiter der Opel-AWE
PKW GmbH auch für ältere Automobilwerker mit reichem Erfahrungsschatz, die er später als die „Problemlöser“bezeichnet.
Für ihn war der Spagat, ehemalige Parteigenossen und Unterdrückte des SED-Regimes zu einer Mannschaft zu formen, nicht einfach. Letztlich zählte das handwerkliche
Können. „Heute sind noch 22 Leute von damals im Werk“, sagt Stammtischsprecher Reinhard Schäfer vom Verein Automobilbau-Museum-Eisenach (AME) während einer Präsentation historischer Fotos und Videos.
Der Opel-Vorstand in Rüsselsheim zeigte sich vor drei Jahrzehnten
recht skeptisch, ob man in Eisenach überhaupt die gewünschte Qualität und Quantität hinbekomme. Die ersten Vectra 1.6i GL aus der SKD-Fertigung räumten die Zweifel aus und stießen die Tür zum Aufbau eines Opel-Werkes auf.
„Louis R. Hughes war von Anfang an für Eisenach, obwohl viele andere amerikanische GM-Manager nicht wollten“, erzählt Wolfram Liedtke, der in der Wendezeit das Automobilwerk leitete. Den GMEuropachef Hughes interessierte vorrangig die Frage nach der zukünftigen Lohnentwicklung.
Zu den ersten 30 Opelanern gehört Harald Lieske, der in Vorbereitung des damaligen Serienstarts mit Kollegen zum Training nach Rüsselsheim in oldtimerreifen Bussen chauffiert wird. „Einmal haben wir einen Zwölf-Kilometer-Stau auf der Autobahn provoziert, als der alte Ikarus-Bus einen Defekt hatte“, erinnert sich der langjährige Betriebsratsvorsitzende. Die hessische Polizei staunt nicht schlecht, als der Busfahrer angibt, dass der Bus weit mehr als eine Million Kilometer runter habe.
Eisenachs Opelwerk war aufgrund der schlanken Fertigung über viele Jahre Europas Vorzeigewerk und weltweit stets unter den Top drei. „Jeder wollte nach Eisenach kommen“, denkt der erste Werkleiter auch an Politiker, die hier nur auf Stimmenfang aus waren.
Als „erschreckend“bezeichnet er die Häufigkeit im Wechsel der Werkleiter nach ihm. „16 Werkleiter, aber nur zwei Betriebsratsvorsitzende in 30 Jahren“, sagt Reinhard Schäfer, der hofft, dass die Marke Opel zum Dauerläufer in der inzwischen über 120-jährigen Automobilgeschichte Eisenachs wird.