Millionengrab Bundeskanzleramt
Rechnungshof kritisiert Erweiterungsbau: Baukosten von 600 Millionen Euro dürften nicht reichen
Berlin. Erneut macht ein Berliner Neubau Schlagzeilen: Der bis 2028 geplante Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes soll deutlich teurer werden als ursprünglich geplant. Wegen steigender Baukosten und angeblicher „Abwicklungsrisiken“hatte sich der Bau ohnehin schon über 115 Millionen Euro gegenüber dem ursprünglich berechneten Preis von 485 Millionen verteuert. Jetzt befürchtet der Bundesrechnungshof, dass auch die 600 Millionen nicht reichen werden.
Der Bundesrechnungshof hat „Zweifel, dass alle zu erwartenden Kosten bekannt sind“, heißt es in einem Prüfbericht, der der Berliner Morgenpost vorliegt. „Dadurch besteht ein erhebliches zusätzliches Kostenrisiko.“Nicht alle Kostenfaktoren seien „umfassend abgebildet“, so etwa die vom Bundeskanzleramt „nachgemeldeten Zusatzanforderungen zur Energieeffizienz“. Die Bundesregierung möchte den Amtssitz der Bundeskanzler auf dem nordwestlichen Ufer der Spree erheblich erweitern. 395 Beschäftigte sollen in dem Neubau jenseits des Flusses auf mehr als 24.000 Quadratmeter Nutzfläche ihre Arbeitsplätze bekommen. Die Bundesregierung hatte das Projekt im Januar 2019 als „nüchternen, auf Funktionalität ausgerichteten Zweckbau“vorgestellt.
Teurer als Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses
Die Kosten für den Neubau, der die Nutzfläche der ohnehin schon weltgrößten Regierungszentrale verdoppeln würde, und für die geplanten Verbindungen mit dem Bestandsgebäude sind schon ohne weitere Steigerungen enorm hoch. Die Prüfer beziffern die Kosten des Erweiterungsbaus je Quadratmeter Nutzfläche auf 18.529 Euro.
Andere aufwendige Bundesbauten würde das erweiterte Kanzleramt locker in den Schatten stellen. So kostet das Humboldt Forum im wiedererrichteten Berliner Schloss etwas mehr als 15.000 Euro pro Quadratmeter, das BundeswehrKrankenhaus in Hamburg 11.000 und die Staatsbibliothek Unter den Linden 8500 Euro. Die Erweiterung des Kanzleramtes könnte so zum teuersten öffentlichen Neubau des Landes werden.
Bundeskanzleramt und das Innenministerium sehen, anders als der Rechnungshof, keine Vergleichbarkeit zwischen der Kanzleramtserweiterung und den genannten Gebäuden. Sie verweisen auf die
„Solitärstellung“des Kanzleramtes und bestehen darauf, die Erweiterung solle „das gleiche architektonische Niveau“aufweisen wie der zwischen 1997 und 2001 errichtete Bau von Axel Schultes und Charlotte Frank. Aus Gründen des Urheberrechts hatte die Bundesregierung 2016 die Kanzleramtsarchitekten ohne Ausschreibung auch mit der Planung des Satelliten auf der anderen Spree-Seite beauftragt.
Die Prüfer verlangen nun von der Bundesregierung, die Kosten zu reduzieren, und machen konkrete Vorschläge. Sie könnten das Projekt für den Steuerzahler um 35 Millionen Euro billiger machen. So verlangt der Rechnungshof, auf ein paar bauliche Besonderheiten zu verzichten. Neun fünfgeschossige Wintergärten böten keinerlei Mehrwert, sondern würden später nur für hohe Wartungs- und Reinigungskosten sorgen. Sie wegfallen zu lassen, würde 14 Millionen Euro sparen. Auch der spektakuläre Hubschrauberlandeplatz in 22 Metern Höhe auf einer Plattform sei „konstruktiv sehr aufwendig geplant“, schreiben die Prüfer.
Weiterer Streitpunkt: eine geplante zweite Brücke über die Spree für 18 Millionen Euro. „Das Bundeskanzleramt hat bisher keine belastbaren Aussagen zur Nutzungsintensität
der Brücke getroffen“, schreiben die Prüfer und empfehlen, auf die zweite Brücke zu verzichten.
Die Kritik des Rechnungshofs hat die Planer bereits zum Umdenken veranlasst. So wollen sie darauf verzichten, für 2,5 Millionen Euro einen 160 Meter langen Verbindungsweg im Freien zu verglasen. Und auch die im Erweiterungsbau vorgesehene 250 Quadratmeter große Kanzlerwohnung soll zunächst nicht wie geplant für 225.000 Euro ausgestattet werden. Das solle erst geschehen, wenn „ein entsprechender Bedarf erkennbar“sei, heißt es.