Hartz IV auch für EU-Ausländer auf Arbeitssuche
Europäischer Gerichtshof: Unter bestimmten Bedingungen besteht Anspruch auf Leistungen
Brüssel. Ausländer aus anderen EU-Staaten können während ihrer Arbeitssuche in Deutschland unter Umständen doch Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden. Zwar darf Deutschland zum Schutz seiner Sozialsysteme bei der Sozialhilfe einen Unterschied machen zwischen Inländern und Ausländern, trotz des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller EU-Bürger. Aber: Eine solche Ausnahme müsse eng ausgelegt werden, entschieden die Richter des obersten EUGerichts. Sind etwa Schulkinder mit im Spiel, sieht die Sache schon anders aus.
In dem Fall ging es um einen Polen, der mit seinen beiden Töchtern in Deutschland wohnt. Die Kinder gehen hier zur Schule, der Mann war weniger als ein Jahr lang in wechselnden Jobs beschäftigt; als er danach arbeitslos wurde, hatte er wegen der kurzen Beschäftigungsdauer nur einen Anspruch auf sechs Monate Hartz-IV-Bezug. Einen Antrag auf Verlängerung der Sozialleistung lehnte das Jobcenter Krefeld ab – schließlich halte sich der Mann ja nur noch zur Arbeitssuche in Deutschland auf, habe also keinen Anspruch. Der Mann klagte, bekam zunächst vom Sozialgericht recht. Doch das Jobcenter legte Berufung ein. Das zuständige nordrhein-westfälische Landessozialgericht wandte sich hilfesuchend an die EURichter in Luxemburg. Deren Urteil ist eindeutig: Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten dürfen nicht unter allen Umständen und automatisch Sozialleistungen für Arbeitssuchende verwehren.
Für den Fall des polnischen Arbeitnehmers stellten die Richter klar: Zieht jemand mit der Familie in ein anderes EU-Land und ist ins Sozialversicherungssystem eingebunden, darf er bei Verlust der Beschäftigung nicht dem Risiko ausgesetzt werden, den Schulbesuch der Kinder unterbrechen und ins Herkunftsland zurückkehren zu müssen. Dem Gericht sei „ein Spagat gelungen“, sagte Dennis Radtke, CDU-Sozialexperte im EU-Parlament. Innerhalb der EU dürfe es keine Zuwanderung in Sozialsysteme geben, aber Gleichbehandlung sei „fundamental“. Die Grünen sprachen von einer „Ohrfeige für die Bundesregierung“. Arbeitssuchende EU-Bürger müssten ab dem vierten Monat ihres Aufenthaltes Anspruch auf Sozialleistungen haben, forderte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn.