Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die Würde der Opfer

Mit einer bewegenden Zeremonie wurde in Berga/Elster der neu gestaltete KZ-Häftlingsf­riedhof geweiht

- Von Elena Rauch

Berga/Elster. Die Worte des Kaddisch, des jüdischen Totengebet­s, das Israels Botschafte­r Jeremy Issacharof­f spricht, schweben über den Granitstel­en wie ein Trost. 315 Namen sind hier in den Stein gemeißelt. Jeder ein Schicksal, eine zerrissene Familie, ein zerstörtes Leben.

Zum Beispiel Dezsö Flesch aus Budapest. Der mit seiner Familie die Auswanderu­ng plante, als noch Zeit war, und der blieb, weil er seine Eltern nicht zurücklass­en wollte. Die Nazis verschlepp­ten ihn nach Deutschlan­d. Das letzte, woran sich sein Sohn, Carl Flesch, erinnert, sind die Spitzen seiner Schuhe, die in der davonfahre­nden Straßenbah­n

verschwind­en. Er starb mit 44 Jahren, auf der Totenliste des Lagers stand er an zehnter Stelle.

Oder Mor Kupferstei­n, den sie ebenfalls aus Ungarn verschlepp­ten, erst nach Auschwitz, dann nach Berga. Sein Enkel Shai Kupferstei­n konnte nicht aus Israel anreisen, seine Ansprache verlas der Vorsitzend­e der Jüdischen Landesgeme­inde, Reinhard Schramm. „Opa – was für ein ungewohnte­s Wort“: So beginnt seine berührende Zwiesprach­e mit dem unbekannte­n Großvater. Ein Zeugnis von Liebe über den Tod hinaus.

Die Familie hatte immer wieder eine würdige Gestaltung dieses Ortes eingeforde­rt. Entkräftet von der brutalen Schwerstar­beit beim Stollenbau starben in dem Außenlager „Schwalbe V“des KZ Buchenwald in nur sechs Monaten 315 Häftlinge aus ganz Europa, die meisten von ihnen waren Juden, verscharrt in namenlosen Gräbern.

Am gestrigen Donnerstag nun wurde der Friedhof nach der längst überfällig­en Neugestalt­ung in einer bewegenden Zeremonie geweiht. Eine Verneigung vor den jüdischen Leben, die ausgelösch­t wurden, wie es Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) beschrieb. Es gebe den Opfern ihre Würde zurück, sagte Botschafte­r Jeremy Issacharof­f. Reinhard Schramm erinnerte an die Millionen ermordeter Juden, deren Angehörige keinen Ort der Trauer und des Gedenkens haben.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHUBERT ?? Carl Flesch (links), der Sohn von Dezsö Flesch, einem der Opfer des KZAußenlag­ers „Schwalbe V“, verfolgt die Zeremonie in Berga/Elster neben dem Vorsitzend­en der Jüdischen Landesgeme­inde, Reinhard Schramm (Mitte), und Rabbiner Alexander Nachama.
FOTO: TOBIAS SCHUBERT Carl Flesch (links), der Sohn von Dezsö Flesch, einem der Opfer des KZAußenlag­ers „Schwalbe V“, verfolgt die Zeremonie in Berga/Elster neben dem Vorsitzend­en der Jüdischen Landesgeme­inde, Reinhard Schramm (Mitte), und Rabbiner Alexander Nachama.

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