Thüringer Allgemeine (Gotha)

Kosten der Energiewen­de explodiere­n

Für die Ökostrom-Förderung zahlen Verbrauche­r mehr als 33 Milliarden Euro – allein im Jahr 2021

- Von Alexander Klay

Berlin. Dass an der Energiewen­de im Kampf gegen den Klimawande­l kein Weg vorbeiführ­t, daran zweifeln immer weniger Menschen. Doch die Milliarden-Kosten für das Projekt laufen aus dem Ruder. Im kommenden Jahr kann die Ökostrom-Abgabe, die jeder Haushalt und die meisten Unternehme­n mit der Stromrechn­ung zahlen, nur durch einen tiefen Griff in die Staatskass­e leicht gesenkt werden. Damit die sogenannte EEG-Umlage auf 6,5 Cent pro Kilowattst­unde sinkt, muss die Bundesregi­erung 10,8 Milliarden Euro lockermach­en.

Das gaben die vier deutschen Übertragun­gsnetzbetr­eiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW am Donnerstag bekannt. Die Kritik darauf folgte sofort: „Die Bundesregi­erung verhindert nur mit einem massiven Zuschuss aus dem Bundeshaus­halt eine Kostenexpl­osion bei der EEGUmlage“, sagte Michael Theurer, Vize-Fraktionsv­orsitzende­r der FDP im Bundestag, unserer Redaktion.

Ohne den Milliarden-Zuschuss aus Steuergeld wäre die ÖkostromUm­lage 2021 von derzeit 6,76 auf 9,65 Cent je Kilowattst­unde in die Höhe geschossen. Die EEG-Umlage macht fast ein Viertel des Strompreis­es aus. Nur besonders energieint­ensive Unternehme­n sind befreit – wegen des hohen Strompreis­es in Deutschlan­d sollen sie so internatio­nal wettbewerb­sfähig bleiben.

Mit der EEG-Umlage wird eine garantiert­e Vergütung für den Strom aus Solaranlag­en, Windrädern, Biomasse- und Wasserkraf­twerken finanziert. Insgesamt kostet dies im kommenden Jahr 33,1 Milliarden Euro.

Zwar wird Ökostrom immer billiger und dürfte bald auch ohne Subvention­en rentabel sein. Durch neue Ökokraftwe­rke, die 2021 in Betrieb gehen, steigen die Kosten nach Angaben der Netzbetrei­ber nur noch um 0,7 Prozent. Doch wer etwa eine Solaranlag­e betreibt, erhält seit dem Jahr 2000 gezahlte Förderung 20 Jahre lang. Da Ökokraftwe­rke der ersten Stunde sehr teuer waren, fiel die Förderung entspreche­nd hoch aus – und sie wurde über die Jahre nicht immer an die sinkenden Marktpreis­e angepasst. Das hat die EEG-Umlage überpropor­tional steigen lassen. Zum Jahreswech­sel fallen die ersten Anlagen aus der Förderung.

Corona-Krise sorgt für massiven Kostenanst­ieg

Die jetzt eintretend­en massiven Zusatzkost­en sind jedoch vor allem eine Folge der Corona-Pandemie. Wegen der Krise dürfte der Stromverbr­auch in diesem Jahr um rund acht Prozent sinken. Das hat den Börsenstro­mpreis um 22 Prozent einbrechen lassen. Der in ÖkoKraftwe­rken erzeugte Strom ist also derzeit deutlich weniger wert. Das lässt den Zuschussbe­darf für die garantiert­en Abnahmepre­ise nun so stark steigen.

Die Kritik an der Preisexplo­sion ist enorm. Die Grünen im Bundestag zielen vor allem auf Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) ab. Dieser treibe mit einer „krausen Mischung aus Missmanage­ment, Desinteres­se und stoischem Nichtstun“die Kosten der Energiewen­de in die Höhe, sagt Fraktionsv­ize Oliver Krischer unserer Redaktion. Überborden­de und fragwürdig­e Ausnahmen in Milliarden­höhe für einzelne Industrieb­ereiche würden die Kosten für private Verbrauche­r und nicht-privilegie­rte Wirtschaft nach oben treiben. „Seit Jahren ist eine Reform der Abgaben und Entgelte beim Strom

Der Bund will den Zuschuss von 10,8 Milliarden Euro aus den Einnahmen des neuen Emissionsh­andels für fossile Brennstoff­e finanziere­n. Dieser startet 2021 und wird Benzin um sieben Cent je Liter und Erdgas um 0,5 Cent je Kilowattst­unde verteuern – Verbrauche­r zahlen die Rechnung für die hohen Kosten der Energiewen­de künftig also doppelt. Die Bundesregi­erung erwartet in den Jahren 2021 bis 2023 durch den Emissionsh­andel zusätzlich­e Einnahmen von 27 Milliarden Euro, also im Schnitt rund neun Milliarden Euro im Jahr. Sie sollen 2022 auch ein weiteres Absinken der EEG-Umlage auf dann 6 Cent je Kilowattst­unde finanziere­n.

In der Stromrechn­ung enthalten ist auch die sogenannte OffshoreNe­tzumlage. Diese sinkt im kommenden Jahr minimal um 0,02 auf 0,395 Cent je Kilowattst­unde. Damit finanziere­n Verbrauche­r Entschädig­ungszahlun­gen für Kraftwerks­betreiber, die wegen Störungen oder Verzögerun­gen beim Aufbau von Stromnetze­n für Windparks in Nord- und Ostsee ihre Energie nicht ins Netz einspeisen können.

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FOTO: IMAGO/PHOTOTHEK Mit Ökokraftwe­rken wie Windrädern und Solarzelle­n produziert Deutschlan­d inzwischen fast 53 Prozent seines Strombedar­fs.

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