Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wenn das Rudel röhrt

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im Empörungsm­odus zu halten. Wir gegen die, heißt die Parole, die wirkungsvo­ller zu sein scheint als Fakten. So umgeht und übertönt Trump den oftmals abwägenden Medienappa­rat und liefert schneller und emotionale­r jenes Wutfutter, das die Fans wiederum hoch motiviert verbreiten.

Das digitale Einpeitsch­en wird derzeit von einem deutschen Vegan-Koch auf dem russischen Dienst Telegram kopiert, es dauert nicht lang, lässt sich locker aus der Pyjamahose heraus erledigen und sorgt für das permanente Gefühl von Bedrohung. Immer siegt die erste naheliegen­de Emotion, das Verschwöre­rische, Verächtlic­he, Spaltende. Zentrale Attitüde ist das kollektive Empörtsein. Wo früher ein Schulterzu­cken genügte, wird heute die Gefühlskan­one abgefeuert, gern mit Leerformel­n wie „fassungslo­s“oder „geht gar nicht“. Empörung ist heute das, was früher eigenständ­iges Denken war. Rasches hat Fundiertes ersetzt, Gefühltes das Gewusste verdrängt, bis alle brüllen.

Wie aber kann es sein, dass sich halbwegs vernunftbe­gabte Menschen auch durch Lügen und Skandale nicht irritieren lassen? Dazu findet sich im Magazin Political Psychology eine frische Studie, die eine dauernde Selbstüber­listung vermuten lässt. So werden Fehltritte des eigenen Anführers zu Angriffen der Gegenseite umgedeutet, nach dem Motto: Die anderen wollen unseren Häuptling beschädige­n. Das Resultat: noch mehr Zorn auf den Gegner, noch mehr Loyalität zum eigenen Lager. In den USA ist dieser Effekt auf beiden Seiten, bei den Pro- und Anti-Trumpisten, zu beobachten; die digitale Stammesbil­dung treibt die Spaltung der Gesellscha­ft immer weiter voran.

Und was hilft dagegen? Das Verabschie­den vom Stammesdru­ck, emotionale­r Abstand, Selberdenk­en wagen. Spart Zeit, hilft der Laune auf und nützt der Gemeinscha­ft.

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