Neues Farblogo für Lebensmittel
Nutri-Score: Eine fünfstufige Skala soll Verbrauchern ab November helfen, sich ausgewogener zu ernähren
Berlin. Den umständlichen Blick auf klein gedruckte Zutaten- und Nährwertlisten auf der Lebensmittelverpackung können sich Verbraucher vielleicht bald sparen. Denn ab November werden in den Regalen der Händler zunehmend Produkte mit einem fünfstufigen Farblogo zu finden sein. Der sogenannte NutriScore zeigt an, wie gesund und ausgewogen ein Produkt ist. Die Farbpalette reicht vom dunkelgrünen „A“für eine besonders gute Zusammensetzung bis zum roten „E“für eine eher ungünstige.
Auf rund 1000 Produkten wird die Farbskala bereits eingesetzt. Das hat eine Marktbeobachtung der Hamburger Verbraucherzentrale ergeben. Doch erst am 9. Oktober hat der Bundesrat jene Verordnung beschlossen, die für Rechtssicherheit der Hersteller sorgt. „Je besser der Score, desto mehr könnte das Lebensmittel zur ausgewogenen täglichen Ernährung beitragen“, erläuterte die Länderkammer. Lebensmittel mit einer ungünstigen roten Bewertung sollten dagegen nur in Maßen verzehrt werden. Parallel zum nationalen Beschluss läuft die vorgeschriebene Notifizierung bei der Europäischen Union.
Wer genauer wissen will, wie viel Fett, Salz oder Zucker ein Produkt enthält, kann sich schon seit Jahren auf der Rückseite der LebensmittelVerpackung informieren. Angaben zum Energiegehalt, zu Zutaten und Nährwerten müssen dort stehen – und das EU-weit einheitlich. Allerdings: Diese Angaben sind erstens schwer zu lesen und zweitens noch viel schwerer zu deuten. Prozentangaben und unterschiedliche Portionsgrößen sorgen für Verwirrung.
Verbraucherschützer und Ärzte fordern deshalb schon lange eine klar erkennbare Information über den Gehalt von stark verarbeiteten Lebensmitteln. Diese sollte in den Ampelfarben gehalten sein und auf der Vorderseite der Produkte stehen. Doch die Industrie sperrte sich lange dagegen. Die Hersteller befürchteten eine Diskriminierung einzelner Produkte, obwohl diese – in geringen Mengen konsumiert – nicht gesundheitsgefährdend sind.
Vor allem Kinderärzte und Diabetologen wiesen hingegen immer wieder auf die in Deutschland grassierenden Probleme infolge von Übergewicht und Fettleibigkeit hin. Falsche Ernährung mache krank. Diabetes und Bluthochdruck hingen häufig mit einer ungesunden Ernährung zusammen. Laut RobertKoch-Institut sind zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig.
Der ab November verwendete Nutri-Score soll Menschen nun dabei helfen, sich ausgewogener zu ernähren. Er ist eine Erfindung französischer Wissenschaftler – ein
Punktesystem, das nicht nur den Gehalt an Salz, Fetten und Zucker, sondern auch Elemente wie Eiweiß, Ballaststoffe, Obst oder Nüsse berücksichtigt. Aus einem Gesamtwert resultiert schließlich die Einordnung des Lebensmittels in eine der fünf Farben.
Der Score bezieht sich dabei immer auf 100 Gramm oder Milliliter. „Besonders gleichartige Produkte oder Sorten verschiedener Marken, etwa Fruchtjoghurts oder Kekse, lassen sich so gut miteinander vergleichen“, erklären die Verbraucherzentralen. Der Kunde sei in der Lage, den gesundheitlichen Wert von Lebensmitteln einfacher zu beurteilen.
Eine große Frage aber bleibt: Wie viele Hersteller werden bei der
Kennzeichnung mitmachen? Denn noch ist der Aufdruck des Logos freiwillig. Für eine Verpflichtung bedarf es einer europaweiten Regelung. Bisher haben Frankreich und Belgien den NutriScore eingeführt. Auch Spanien, Portugal, die Schweiz und Luxemburg nutzen das Logo, oder wollen dies tun.
Der Druck auf die Hersteller dürfte zunehmen, wenn sich gekennzeichnete Produkte besser verkaufen lassen als jene ohne Aufdruck. „Wir gehen davon aus, dass der Nutri-Score in den kommenden Wochen und Monaten vermehrt auf Eigenmarken der Handelsunternehmen zu finden sein wird“, sagt Franz-Martin Rausch vom Verband des Lebensmittelhandels. Die Industrie hingegen zeigt sich reservierter. Sie sieht Mängel bei der Berücksichtigung von grundsätzlich gesunden Zutaten wie Pflanzenölen oder Vollkornprodukten.
Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat sich lange gegen ein Farblogo auf der Vorderseite der Verpackung von Lebensmitteln gesträubt. Im vergangenen Jahr schließlich ließ sie verschiedene Kennzeichnungsmodelle von Verbrauchern testen. Am verständlichsten fanden die Konsumenten den Nutri-Score. Damit war der Widerstand der Ministerin gebrochen. Heute findet sie das Logo gut. „Die Einführung ist ein wichtiger Schritt hin zu einem stärkeren Bewusstsein beim Lebensmitteleinkauf und gegen versteckte Dickmacher“, sagt Klöckner. Von den Unternehmen erwarte sie nun, „dass sie Farbe bekennen.“
Deutschland will einheitliche Regeln in der EU
Mit einer Kampagne will Klöckners Ministerium die Verbraucher über die Einführung und die Details der neuen Kennzeichnung informieren. Dabei sollen sich Firmen aber nicht nur herauspicken, was sowieso eine „grüne“Bilanz hat. Die Regeln sehen dazu vor: Will ein Hersteller den Nutri-Score nutzen, muss er binnen zwei Jahren alle Produkte der registrierten Marke damit kennzeichnen. Sind dies mehr als 2000 Produkte, müssen es 80 Prozent sein und nach drei Jahren alle.
Auch will sich Julia Klöckner für eine europaweit einheitliche Regelung einsetzen. Die deutsche Ratspräsidentschaft in diesen Tagen könnte dabei helfen. Bei der Sitzung des Agrarrats im Dezember will die Ministerin eine gemeinsame Haltung der EU-Mitgliedstaaten erreichen.
„Die Einführung ist ein wichtiger Schritt gegen versteckte Dickmacher.“
Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft