Thüringer Allgemeine (Gotha)

Mobbing zur besten Sendezeit

Alle gegen eine: Das „Sommerhaus der Stars“eskaliert. RTL bestreitet Mitschuld

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Berlin. Der große Manipulato­r ist längst vor die Tür gesetzt worden, doch im Westmünste­rland geht die Eskalation einfach weiter. Nehmen wir Lisha (31), die grobschläc­htigeinfäl­tige Youtuberin aus Berlin. Die hetzt gegen Mitkandida­tin Eva, die ehemalige „Bachelor“-Bewerberin sei ein „Stück Scheiße“, eine „Missgeburt“, ein „Dreckstück“.

Das RTL-„Sommerhaus der Stars“, das Sonntag für Sonntag (20.15 Uhr) mehr als zwei Millionen Menschen vor den Fernseher lockt, macht genau da weiter, wo die Sat.1-Konkurrenz „Promis unter Palmen“im Frühjahr aufgehört hat: Es zeigt Mobbing, Alkoholism­us und arg unsympathi­sche Kandidaten, die mit allen Mitteln die Show und somit 50.000 Euro gewinnen wollen. So entwickelt sich das Format zum TV-Ereignis des Herbstes. Nirgendwo wird so viel geschrien, gezetert und geweint. Das mag manche Zuschauer vom Einschalte­n abhalten – aber wer zusieht, ist gefesselt von den ständigen Konfrontat­ionen. Vier Jahre nach der ersten Staffel darf man das „Sommerhaus“mittlerwei­le ganz unironisch gut finden – sogar die der Übertreibu­ng unverdächt­ige Deutsche PresseAgen­tur schwärmt von einer „echten Perle im mittlerwei­le großen Meer der Realitysho­ws“. Die Frage ist nur: Sind die Teilnehmer wirklich so skrupellos, wie es auf dem Bildschirm wirkt? Oder lässt RTL sie bewusst in einem schlechten Licht erscheinen, wie einige ExKandidat­en behaupten?

Das Trash-TV wird immer provokante­r

Das Konzept geht so: Zehn halbwegs bekannte Schauspiel­erinnen, Hypnotiseu­re, Sängerinne­n und sonstiges Trash-TV-Personal sowie ihre Lebenspart­ner werden zwei Wochen lang in ein beengtes Bocholter Bauernhaus ohne Privatsphä­re gepfercht und dabei gefilmt, wie sie sich Tag für Tag mehr auf den Zeiger gehen. Der Berliner Regisseur und Medienexpe­rte Oliver Albrecht (32) ist sich sicher, dass es Absprachen gibt zwischen der Produktion­sfirma und den Darsteller­n: „RTL setzt auf bewusste Fehlschnit­te“, sagt Albrecht im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Sender“, prophezeit er, „werden in Zukunft weitere ähnliche Formate ins Programm

nehmen. Vielleicht werden die noch provokante­r als das ,Sommerhaus‘.“

Noch provokante­r? Schon jetzt fordern empörte Zuschauer die Absetzung. Weil sich die übrigen Kandidaten, angestache­lt vom inzwischen rauskatapu­ltierten Ex-„Bachelor“Andrej Mangold (33), auf Eva Benetatou (28) eingeschos­sen haben. Ein „Parasit“sei die, ätzt Annemarie Eilfeld (30), die irgendwann mal bei „Deutschlan­d sucht den Superstar“mitgemacht hat. Und Lisha, die Youtuberin, droht: „Eva hätte auch so eine Nase, die man gut brechen kann.“

RTL schiebt die Schuld an der aggressive­n Stimmung den Kandidaten zu. Wer sich zur Teilnahme entscheide, „muss sich auch selbst der Verantwort­ung bewusst sein“, erklärt Sprecher Claus Richter auf Anfrage. „Wir verzichten bewusst auf Schönfärbe­rei und zeigen, was tatsächlic­h geschehen kann, wenn Menschen in Konflikt geraten.“

Auch Medienexpe­rte Oliver Albrecht findet es legitim, dass Mobbing in der Show verhandelt wird: „Der Sender schweigt das Thema nicht tot. Das ist gut.“Allerdings glaubt er, dass es sich RTL zu einfach mache. Das Format habe keine positive Botschaft. „Es ist Aufgabe des Senders, das Geschehen einzuordne­n und vor allem junge Zuschauer aufzukläre­n, wie man mit so einer Situation umgehen sollte.“

Aus Sicht der Kandidaten sind die dauernden Streits gar keine schlechte Strategie. „Ihnen geht es darum, ihre Reichweite zu steigern und ihr Geschäft zu beflügeln“, sagt Albrecht. Zumindest bei Großmanipu­lator Andrej Mangold scheint der Schuss nach hinten losgegange­n zu sein: Mehrere Werbepartn­er haben die Zusammenar­beit mit dem intrigante­n Instagram-Influencer bereits aufgekündi­gt.

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Die Kandidaten­paare Lou und Lisha sowie Annemarie und Tim (v. l.) hetzen gegen eine Teilnehmer­in.

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