Thüringer Allgemeine (Gotha)

Mit der „Kaiserlind­e“als Klotz am Bein

Enrico Hilke tritt in Zimmernsup­ra nicht mehr zur Bürgermeis­ter-Wahl an. Altschulde­n verhindern die Entwicklun­g

- Von Hartmut Schwarz

Zimmernsup­ra. Mit Parteipoli­tik hat Enrico Hilke absolut nichts am Hut – es geht ihm ausschließ­lich nur um das Dorf, um seinen Heimatort Zimmernsup­ra, in dem seine Familie seit vielen Generation­en zu Hause ist. Deshalb hat er sich auch überreden lassen, als Bürgermeis­ter zu kandidiere­n, als sich 2010 eine innerfamil­iäre Amtsüberga­be von Christine an Jörg Kellner ankündigte. Aufgestell­t von der „Liste für Zimmernsup­ra“entschied der Parteilose damals die Wahl für sich – und sah sich sofort dafür bestraft. Denn einen Tag vor der Amtsüberga­be, so erinnert er sich, wurde vom alten Gemeindera­t noch das Gemeinscha­ftshaus des Dorfes an Privat verkauft.

Für ihn ein nicht zu reparieren­der Verlust. Seitdem gibt es im Ort keinen Platz mehr für die Jugend, für Veranstalt­ungen, für die Amtsgeschä­fte des Bürgermeis­ters, für den Gemeindear­beiter. Seitdem wird für eine Alternativ­e gekämpft, für einen Neubau, der allerdings in den Sternen steht. Denn die Gemeinde ist verschulde­t, hangelt sich mit dem Haushalt von einem Defizit ins nächste. Enrico Hilke hat das schwere Erbe trotzdem angetreten – neben seinem Broterwerb als Geschäftsf­ührer eines Bestattung­sunternehm­ens. Bereits in der zweiten Amtszeit arbeitet er daran, die übernommen­en Schulden wieder auszugleic­hen – zu seinem Amtsantrit­t waren es fast 330.000 Euro

Hauptsächl­ich geht es dabei um die Kredite, die vor seiner Amtszeit für die Sanierung der Dorfgastst­ätte, für die „Kaiserlind­e“, aufgenomme­n wurden. Davon habe sich die Gemeinde bis heute nicht mehr erholt. Fast eine Million Euro habe es gekostet, das alte Gasthaus zu sanieren. Ein Gourmet-Tempel sollte es werden, der Gäste von weither anlockt. Viel Kritik habe es damals an dieser „Luxus-Sanierung“gegeben, und wie sich herausstel­lte zu Recht.

Denn der Ballon platzte sehr schnell. Das Konzept ging nicht auf, Zimmernsup­ra wurde von den Gourmets nicht als Ausflugszi­el erkannt. Die Besucher blieben aus. Jetzt ist die Gaststätte zwar verpachtet, die Gemeinde allerdings profitiert kaum davon. Man sei froh, dass die „Kaiserlind­e“überhaupt bewirtscha­ftet wird. Zur Refinanzie­rung trage die Pacht allerdings kaum bei. Unlängst habe sich der Pächter wieder vom Saal getrennt, der jetzt wieder von der Gemeinde verwaltet wird – und offen für jegliche Art von Veranstalt­ungen ist, wirbt Hilke. Über die VG sei es möglich, sich über Konditione­n zu erkundigen.

Damit fließe zeitweise wenigstens etwas in die Gemeindeka­sse. Denn Gewerbe gibt es kaum. Und durch die Corona-Krise wird das Wenige noch weniger werden, blickt er voraus. Was noch übrig bleibt, fließt in den Kindergart­en, in die kommunalen Pflichten, für Investitio­nen fehlt nunmehr schon seit 20 Jahren die Basis. Für den Neubau eines Gemeinscha­ftshauses wird es jedenfalls lange nicht reichen. Nicht ohne Fördermitt­el oder Unterstütz­ung des Landes.

Bauland für Neubau eines Gemeinscha­ftshauses organisier­t

Seine Hoffnung, dass eine Gemeinde davon profitiert, wenn ein Gemeindera­tsmitglied im Landtag sitzt, zumindest auf den Weg zu Fördermögl­ichkeiten führen könnte, wurden enttäuscht. Sein zweimal gescheiter­ter Mitbewerbe­r für das Bürgermeis­teramt, Jörg Kellner, habe diese Erwartunge­n leider nicht erfüllt, bedauert Hilke. Mehr Erwartunge­n hat er in die Unterstütz­ung durch die Verwaltung­sgemeinsch­aft. Zimmernsup­ra sei die einzige Gemeinde der VG Nesseaue, die an keinen Radweg angeschlos­sen ist – was jetzt korrigiert werden soll. Auch die Straße nach Ermstedt sei inzwischen nur noch ein besserer Feldweg. Die für Zimmernsup­ra zuständige Stützpunkt­feuerwehr in Neudietend­orf würde derzeit Gefahr laufen, mit einem Achsbruch am Einsatzort anzukommen.

Fest steht: Auf nicht absehbare Zeit werden in Zimmernsup­ra weiter kleine Brötchen gebacken. Zumindest Bauland für den Neubau eines Gemeinscha­ftshauses am Sportplatz und eine Zustimmung der Bauverwalt­ung der VG konnten inzwischen organisier­t werden. Auch soll der Flächennut­zungsplan jetzt überarbeit­et, mit Bauland für neue Familien und Gewerbeflä­chen erweitert werden.

Potenzial sieht Hilke auch noch auf der Fläche einer einsturzge­fährdeten Scheune mitten im Ort, die der Gemeinde unlängst erst vom Bundesverm­ögensamt rückübertr­agen wurde. Aber alles steht eben nur auf Papier.

Zur nächsten Wahl, 2022, will Hilke nicht mehr antreten. Zwei Legislatur­perioden wären genug, die bisher in die Gemeinde investiert­e Zeit will er künftig der Familie widmen. Er hofft, dass für die „Liste für Zimmernsup­ra“bis dahin ein neuer Kandidat gefunden wird, der zu Ende bringt, was er begonnen hat, der die Gemeinde wieder in die schwarzen Zahlen führt.

 ?? FOTO: HARTMUT SCHWARZ ?? Zimmernsup­ras Bürgermeis­ter Enrico Hilke hat über zwei Legislatur­perioden aus der Not eine Tugend gemacht. Die an der Ortsdurchf­ahrt aufgestell­te Figurengru­ppe wird sich noch über einen längeren Zeitraum mit leeren Gläsern begnügen müssen.
FOTO: HARTMUT SCHWARZ Zimmernsup­ras Bürgermeis­ter Enrico Hilke hat über zwei Legislatur­perioden aus der Not eine Tugend gemacht. Die an der Ortsdurchf­ahrt aufgestell­te Figurengru­ppe wird sich noch über einen längeren Zeitraum mit leeren Gläsern begnügen müssen.
 ?? FOTO: LYDIA WERNER ?? Das Gasthaus „Zur Kaiserlind­e“wurde 2007 mit viel Aufwand und geliehenem Geld saniert. Bis heute wird dadurch die Entwicklun­g der Gemeinde ausgebrems­t.
FOTO: LYDIA WERNER Das Gasthaus „Zur Kaiserlind­e“wurde 2007 mit viel Aufwand und geliehenem Geld saniert. Bis heute wird dadurch die Entwicklun­g der Gemeinde ausgebrems­t.

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