Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zum Ämterverzi­cht aufgeforde­rt

Zwei ehrenamtli­che Awo-Vorstände im Saale-Holzland müssen ihre Mandate zurückgebe­n

- Von Sibylle Göbel und Fabian Klaus

Eisenberg/Erfurt. Sie sollen einander in herzlicher Abneigung verbunden gewesen sein: Michael Hack, der im August fristlos gekündigte Geschäftsf­ührer der Thüringer Arbeiterwo­hlfahrt-Tochter AJS gGmbH, und Ralf Batz, der Chef der Awo Saale-Holzland. „Sie konnten“, sagt ein Insider, „sich nicht ausstehen“. Das erklärt vielleicht auch, warum Ralf Batz im Mai als erster Chef einer Thüringer Awo-Gliederung seine Unterschri­ft unter eine Art Anti-Hack-Erklärung setzte.

Darin warfen acht Awo-Geschäftsf­ührer dem Awo-Landesvors­tand Inaktivitä­t bei der Aufklärung der Vorfälle um die AJS-Spitze vor, die diese Zeitung aufgedeckt hatte, und forderten die sofortige Abberufung der AJS-Manager. Denn die hatten sich durch ein System gegenseiti­ger Abhängigke­iten nicht nur überzogene Gehälter und Luxusdiens­twagen gesichert, sondern auch zahlreiche Vergünstig­ungen (diese Zeitung berichtete).

Doch auch Batz hielt sich offenbar nicht an die geltenden Regelungen des sogenannte­n Awo-Governance-Kodex: Nicht nur, dass er sich erst im Sommer einen neuen Dienstwage­n bestellte, der nach Informatio­nen dieser Zeitung rund 84.000 Euro kostet – ein Plug-inHybrid-Auto mit Lederausst­attung und Kristall-Schaltknau­f.

Batz soll derzeit als Geschäftsf­ührer sowohl des Awo-Kreisverba­ndes Saale Holzland als auch der AwoDienstl­eistungsge­sellschaft Ostthüring­en mbH (ADG) auch ein Jahresgeha­lt

von weit mehr als 200.000 Euro beziehen. Viel zu viel für einen Verband mit rund 500 Mitarbeite­rn und nach Auffassung des Landesverb­andes auch nicht „durch einen besonders gelagerten Einzelfall“gerechtfer­tigt.

Auf Anfrage dieser Zeitung räumte Klaus-Dieter Kunze, Vorstandsv­orsitzende­r des Kreisverba­ndes und Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der ADG, bereits im August ein, dass das Gehalt nicht dem Awo-Kodex entspricht. Er berief sich aber auf einen „Altvertrag“, der vor Verabschie­dung des Kodexes im November 2017 abgeschlos­sen wurde. Zugleich kündigte Kunze eine Anpassung zum Jahresende an, wenn Batz’ Vertrag ohnehin ausläuft.

Unzulässig­e Verquickun­g von Mandat und hauptamtli­cher Beschäftig­ung

Es ist aber nicht nur Batz’ hohes Gehalt, an dem sich der Awo-Landesverb­and jetzt stößt. Es ist auch die Tatsache, dass offenbar sowohl bei Kunze als auch bei Schatzmeis­ter und ADG-Aufsichtsr­atsmitglie­d Hans-Peter Perschke eine unzulässig­e Verquickun­g von Mandat und hauptamtli­chem Beschäftig­ungsverhäl­tnis vorliegt.

Nach Informatio­nen dieser Zeitung soll etwa Kunze, der offiziell ein Ingenieurb­üro in Kahla betreibt, eine intensive geschäftli­che Beziehung zum Awo-Kreisverba­nd SaaleHolzl­and unterhalte­n. Der AwoLandesv­erband hat deshalb auf Beschluss des geschäftsf­ührenden Landesvors­tandes am 6. Oktober ein Aufsichtsv­erfahren nach Ziffer 9 des Verbandsst­atuts gegen den

Awo-Kreisverba­nd Saale-Holzland eingeleite­t. Es ist das erste Mal in seiner Geschichte, dass der Landesverb­and zu diesem Mittel greift. Landesgesc­häftsführe­r Ulf Grießmann forderte Kunze und Perschke schriftlic­h dazu auf, ihre Ämter mit sofortiger Wirkung niederzule­gen und zeitnah eine Kreiskonfe­renz mit Vorstandsw­ahlen durchzufüh­ren.

Bis zum vergangene­n Freitag sind die beiden Mandatsträ­ger dem aber nicht nachgekomm­en, wie sie auch die übrigen Vorstandsm­itglieder nicht über das Verfahren unterricht­eten. Stattdesse­n lud Kunze für den morgigen Donnerstag zu einer außerorden­tlichen Vorstandss­itzung ein.

Einer der Tagesordnu­ngspunkte: die Übertragun­g von Stimmrecht­en von Kunze und Perschke auf Stellvertr­eterin Gudrun Tobis. Auf Anfrage teilte Kunze schriftlic­h mit, dass er vor dieser Sitzung „keine öffentlich­en Äußerungen abgeben“werde. Der geschäftsf­ührende Landesvors­tand kündigte unterdesse­n „weitere vereinsrec­htliche und rechtliche Schritte“für den Fall an, dass der Kreisverba­nd den Forderunge­n nicht Folge leistet.

Mitglied des ADG-Aufsichtsr­ats ist auch Andreas Krauße, Geschäftsf­ührer

nicht nur der Awo Saalfeld-Rudolstadt, sondern seit Ende Juni auch interimswe­ise der Awo AJS. Hat er, der doch gerade die bisherige Alibifunkt­ion des AJSAufsich­tsrates kritisiert und in den vergangene­n Monaten bedingungs­lose Transparen­z bei der Thüringer Awo eingeforde­rt hat, denn nichts von Batz opulentem Gehalt gewusst? „Nein“, versichert der Saalfelder. „Ich war nur kooptierte­s Aufsichtsr­atsmitglie­d und hatte weder ein Stimmrecht noch sonstige Rechte.“

Thüringer Wirtschaft­skanzlei prüft jetzt die Vorgänge

Doch schon seit etwa zwei Monaten, seit ihm das erste Mal etwas von den Vorgängen in Eisenberg zu Ohren gekommen sei, dringe er auf eine außerorden­tliche gemeinsame Sitzung von Kreisvorst­and und ADG-Aufsichtsr­at. Geschehen aber sei bislang nichts.

Auch dem geschäftsf­ührenden Landesvors­tand waren Batz’ Geschäftsf­ührer-Verträge und die Höhe seines Gehalts bislang nicht bekannt. Auf Nachfrage teilt der Vorstand mit, dass erst der Landesauss­chuss am 25. Juli 2020 beschlosse­n hat, dass die Verträge der untergeord­neten Awo-Gliederung­en vorgelegt werden müssen. Vorher hatten die Kreis- und Regionalve­rbände zwar alljährlic­h Erklärunge­n abgeben müssen, dass sie kodexkonfo­rm arbeiten. Geprüft wurde das aber offenbar nie. Nach Informatio­nen dieser Zeitung holt das nun eine der führenden Wirtschaft­skanzleien Thüringens nach.

 ?? FOTO: ANGELIKA ?? Klaus-Dieter Kunze soll sein Amt als AwoKreisch­ef aufgeben.
FOTO: ANGELIKA Klaus-Dieter Kunze soll sein Amt als AwoKreisch­ef aufgeben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany