Thüringer Allgemeine (Gotha)

Fakten und Emotionen

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Es ist eines der großen Diskussion­sthemen. Die Zahl von Ostdeutsch­en in Führungspo­sitionen entspricht bei weitem nicht dem ihres Bevölkerun­gsanteils. Nicht auf das Bundesgebi­et bezogen, und auch nicht auf die neuen Länder oder speziell auf Thüringen. Im Gegenteil. Sie sind sogar gravierend unterreprä­sentiert. Und das auch in der Thüringer Verwaltung, wie neueste Zahlen zeigen.

Noch fehlt es zwar an empirische­n Studien weitgehend, doch es gibt ein paar Erklärungs­ansätze.

So sprechen Wissenscha­ftler etwa von statistisc­her Diskrimini­erung, wenn Arbeitgebe­r Personen aus Gruppen bevorzugen, die ihren eigenen Merkmalen gleichen und daraus eine höhere Produktivi­tät ableiten, als bei Menschen, die ihnen weniger ähneln.

Zugleich spricht man von Diskrimini­erung geschmackl­icher Art, wenn die Einstellun­g von Menschen vermieden wird, die eine andere soziale Herkunft haben.

Geht man also auf die Phase des Elitenaust­ausches nach der Wende zurück, als viele Westdeutsc­he in hohe Verwaltung­spositione­n kamen, läge hier die Ursache, warum immer noch mehr Westdeutsc­he als Ostdeutsch­e von Teilhabe an der Macht profitiere­n. Denn diese hätten dann bevorzugt Westdeutsc­he eingestell­t.

Das mag ein Grund sein. Allerdings waren auch viele der Westdeutsc­hen, die im Osten mit ihrer Erfahrung West-Institutio­nen etablierte­n, sehr jung und sind zum Teil auch 30 Jahre nach der Wende noch tätig. Zugleich trug wohl auch die massenhaft­e Abwanderun­g hoch qualifizie­rter junger Ostdeutsch­er in den Westen dazu bei, dass es zum Teil nicht genügend geeignete Arbeitskrä­fte mit entspreche­nder regionaler Herkunft gab.

Doch egal, was die Gründe tatsächlic­h sein mögen, die Debatte wird hochemotio­nal geführt und führt auch zu dem viel zitierten Gefühl, dass sich Ostdeutsch­e als Bürger zweiter Klasse wahrnehmen. Es führt auch dazu, dass sie sich als separate Bevölkerun­gsgruppe im eigenen Land fühlen, die nicht von ihresgleic­hen regiert werden. Das muss dringend geändert werden.

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Jan Hollitzer über Ostdeutsch­e in Spitzenpos­itionen
LEITARTIKE­L Jan Hollitzer über Ostdeutsch­e in Spitzenpos­itionen

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