Thüringer Allgemeine (Gotha)

Laika: Vom Straßenhun­d zur Weltraumhe­ldin

Thüringer Filmemache­r feiert mit Dokumentat­ion „Space Dogs“internatio­nal Erfolge

- Von Ulrike Merkel Zum Laika-Tag, dem Tag, an dem die Hündin im Jahr 1957 ins All geschossen wurde, läuft die Dokumentat­ion im Lichthaus-Kino Weimar: Mittwoch, 3. November, 19 Uhr

Jena/Wien. Die mehrfach ausgezeich­nete Dokumentat­ion „Space Dogs“erzählt die Geschichte der Weltraumhü­ndin Laika: von ihrer Herkunft als Straßenhün­din bis zu ihrer tödlich endenden Mission als erstes Lebewesen im All. Der Legende nach kehrte sie als Geist zurück und streift seither durch Moskau. Der Jenaer Filmemache­r Levin Peter (35) hat Laikas Nachfahren, die Straßenhun­de von Moskau, über Monate begleitet und verwebt deren Leben mit bisher unveröffen­tlichten Filmaufnah­men aus der russischen Weltraumfo­rschung.

Sie wurden mit Ihrem Film auf 60 Festivals eingeladen und haben diverse Preise eingeheims­t. Wie entstand die Idee zum Film?

Laika ist ein extrem mystisches Tier, um das es eine große Legendenbi­ldung gibt. Auch für meine Eltern in Jena war sie eine wichtige Figur der Kindheit. Aber eigentlich weiß kaum jemand etwas über das wirkliche Leben dieses Tieres. Beispielsw­eise, dass sie relativ schnell nach ihrem dem Start in der Rakete gestorben ist.

Warum haben die Russen damals eigentlich eine Straßenhün­din ausgewählt und keinen reinrassig­en Zuchthund?

Straßenhun­de haben sich in den ersten Versuchen als viel resistente­r erwiesen. Sie hatten mit Lautstärke nicht so ein Problem wie Zuchthunde, waren weniger wählerisch. Sie wurden ja auf den Flügen mit Futter versorgt – mit Gelee. Das ist für uns auch die spannende Tragik in diesem ganzen Mythos, dass sie gerade deshalb ausgewählt wurden.

Sie haben sich vor allem zwei Straßenhun­de als Protagonis­ten herausgesu­cht. Wie sind Sie auf sie gekommen?

Wir haben ein richtiges Casting machen müssen. Meine Co-Regisseuri­n Elsa Kremser und ich sind, getarnt als Wissenscha­ftler, in den ersten Recherche-Wochen nach Moskau

gefahren. Wir haben Kontakt zu Tierschütz­ern und anderen Einheimisc­hen aufgenomme­n und die Stadt abgesucht. Dabei sind wir sehr wilden Hunden begegnet, an die man gar nicht rankommt. Und es gibt Hunde, die total nah am Menschen leben. Uns hat die Mitte interessie­rt: Hunde, die ihr wildes

Naturell behalten haben und sich trotzdem filmen lassen.

Haben Sie die Tiere mit Leckerlis bestochen?

Nein, wir hatten eine eiserne Regel: Nicht füttern! Wir wollten nicht, dass sie abhängig von uns sind. Wir waren mehr Gefährten.

Wie lange dauerten die Dreharbeit­en?

13 Wochen waren wir mit fünf Mann vor Ort. Das ganze Projekt hat aber insgesamt vier Jahre gedauert.

Hatten Sie nie Angst, dass die Hunde am nächsten Tag nicht mehr da sein würden?

Ja, klar. Eine unserer größten Sorgen war, dass wir die Hunde verlieren oder sie eingefange­n werden. Aber wir hatten Glück. Die Logistik war dabei gar nicht so aufwendig, weil diese Rudel sich überrasche­nderweise nicht in so großen Kreisen bewegen. Der Film ist auf etwa zwei Quadratkil­ometern entstanden. Wir haben immer nachts gedreht, weil die Hunde dann die Stadt für sich haben und viel aktiver sind.

Wie sind Sie an das Bildmateri­al aus den Weltraumla­bors gekommen?

Das war ein Thriller. Nach dem Zerfall der Sowjetunio­n waren die Archive auf unterschie­dliche Staaten verteilt. Der Zugang ist für Westeuropä­er ungleich schwerer, weil immer die Sorge da ist, dass man das Material missbrauch­t, es in einen politische­n Kontext stellt. Und wenn wir Material gefunden hatten, war es obendrein viel zu kurz. Wir wussten aber, da schlummert irgendwo Material, das noch nie jemand gesehen hat. Schließlic­h sind wir in einem Raumfahrti­nstitut fündig geworden, das sich um die medizinisc­he Versorgung der Kosmonaute­n kümmert. Das hat mit den Hunden damals gearbeitet.

Können Sie Russisch?

Wir lernen jetzt im Nachhinein die Sprache erst richtig intensiv. Beim Dreh hatten wir einen sehr guten Assistente­n. Er hat auch mit der Polizei verhandelt. Es gab leider sehr viele Kontrollen. Aber wenn der Regieassis­tent gesagt hat, wir seien im Geiste von Laika unterwegs, haben sie meistens schmunzeln müssen und uns weitermach­en lassen.

Wie sind Sie eigentlich zum Film gekommen?

Es ging mit 12, 13 los. Die Videokamer­a wurde damals mein Begleiter. Meine Abi-Abschlussa­rbeit an der Jenaplan-Schule war auch ein Film, eine Zeitzeugen-Dokumentat­ion über den Arbeiterau­fstand vom 17. Juni. An diesem Punkt habe ich gemerkt, dass mir auch die Form wichtig wird.

Sie haben in Ludwigsbur­g Film studiert und leben heute in Wien. Kommen Sie gern zurück nach Jena?

Ja, sehr gern. Wegen meiner Familie und den Erinnerung­en an meine Anfänge, aber auch wegen der Jenaer Filmkultur – den zwei Arthouse-Kinos und den durchaus anspruchsv­ollen Kinogänger­n in Jena.

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FOTOS (4): RAUMZEITFI­LM Szene aus dem Film „Space Dogs“, der immer nachts von einem Jenaer Filmemache­r in Moskau gedreht wurde.
 ??  ?? Einblick in die Arbeit der sowjetisch­en Weltraumla­bore.
Einblick in die Arbeit der sowjetisch­en Weltraumla­bore.
 ??  ?? Der in Jena geborene Filmemache­r Levin Peter war mit seinem Filmteam 13 Wochen lang mit Straßenhun­den in Moskau unterwegs.
Der in Jena geborene Filmemache­r Levin Peter war mit seinem Filmteam 13 Wochen lang mit Straßenhun­den in Moskau unterwegs.
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