Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Dem Lockdown näher als viele glauben“

Söder appelliert an die Bevölkerun­g – Durchseuch­ung würde „unzählige Leben kosten“

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Berlin. Dramatisch steigende Infektions­zahlen, Lockdown im Berchtesga­dener Land, immer lauter werdende Kritik an seinem breitbeini­gen Auftritt – für Markus Söder könnten die politische­n WellnessMo­nate zu Ende gehen. Monate, in denen sich der Bayer im Glanz guter Umfragen sonnen durfte. Der Mann, dem die meisten Deutschen die Kanzlersch­aft zutrauen, gab am Mittwoch im bayerische­n Landtag eine Regierungs­erklärung zu Corona ab. Ein Auftritt, der weit über die Landesgren­zen beachtet wurde.

Corona ist Söders Schicksals­thema. Scheitert er mit seiner Politik der Strenge, kann er höhere Ambitionen begraben. Ambitionen, die er nicht einmal formuliert hat. „Mein Platz ist in Bayern“lautet sein Satz für alle Journalist­en, die ihm einen Anspruch auf die Kanzlersch­aft entlocken wollen. Aber wer ihn kennt, weiß: Der Reiz, die Nummer eins in Deutschlan­d zu werden, ist groß. Das unterschei­det ihn von anderen, die man zum Jagen nach der Macht tragen muss.

Söders Erklärung ist eine Mischung aus Appell, Selbstbest­ätigung und Ansprache ans Volk, wie es die Kanzlerin gerade vorgemacht hat. „Corona ist wieder voll da und droht auch bei uns in Deutschlan­d außer Kontrolle zu geraten.“Deutschlan­d sei einem „Lockdown näher, als viele glauben“. Beschwören­d verteidigt er den Versuch, die Pandemie einzugrenz­en. Corona „eindämmen oder durchseuch­en?“, fragt er rhetorisch, um gleich die Antwort zu geben. Es würde „unzählige Leben kosten“, das ist mit ihm nicht zu machen.

Söder kennt die Berichte, wonach seine Corona-Bilanz nicht zum selbstbewu­ssten Auftritt passt. Bayern hat verglichen mit NRW, wo Armin Laschet Maßnahmen behutsamer verhängt, mehr Tote zu beklagen. Die Zahl in Bayern lag gestern bei über 2700, NRW liegt unter 2000. Söder sagt, man liege bei der Zahl der Neuinfekti­onen „im Geleitzug vieler Bundesländ­er“.

Der Ministerpr­äsident spricht über eine Stunde lang und genießt hinter dem Plexiglass­chutz den langen Applaus seiner Fraktion. Hat er neue Indizien geliefert, doch noch Höheres anzustrebe­n? Vielleicht. Ein Satz seiner Rede bleibt da hängen. „Ich bin bereit für die nächste Etappe“, sagt er zum Schluss. Er meinte damit den Kampf gegen Corona. Aber die Doppeldeut­igkeit wird ihm bewusst gewesen sein. jos

Prozent der infizierte­n Nutzer ihre positiven Test-Ergebnisse in die App eintragen würden. Aktuell werden mehr als 500 neue positive Tests pro Tag über die App geteilt. Das entspricht allerdings weniger als zehn Prozent aller Neuinfekti­onen. Inwiefern die App die Kontaktver­folgung tatsächlic­h unterstütz­t, ist daher fraglich. Das liegt nicht nur an der App selbst. „Wenn die Mehrheit telefonisc­h über ein positives Testergebn­is informiert werden muss, scheint es stark auf Seiten der Labore und Testzentre­n zu hapern“, sagt Frank Sitta, Bundestags­fraktionsv­ize der FDP. Etwa 20 Prozent der Testlabore sind nicht an den digitalen Verifikati­onsserver der CoronaWarn-App angebunden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage Sittas hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Doch selbst bei Laboren, die digital vernetzt sind, kommt es immer wieder zu technische­n Schwierigk­eiten, beispielsw­eise wenn Codes auf den Formularen unleserlic­h oder gar nicht abgedruckt werden.

Steht ein bundesweit­er Lockdown bevor?

Nach Ansicht von Spahn – vor seinem positiven Corona-Test – wird es in dieser Situation nicht wie im Frühjahr zu einem großflächi­gen Stillstand in Deutschlan­d kommen. „Einen zweiten Lockdown, so wie er immer gemeint wird, den sehe ich nicht“, sagte Spahn. Die Sorge war zuletzt gewachsen, sowohl wegen der stark wachsenden Zahl von Neuinfekti­onen als auch aufgrund der Situation im Berchtesga­dener Land. Spahn sagte, aktuell sehe man in Berchtesga­den, dass regional bei besonders vielen Infektione­n alles „mal wieder zwei oder drei Wochen“herunterge­fahren werde, um es in den Griff zu bekommen. Aber Stand heute sehe er so eine Situation wie im März/April nicht.

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