Thüringer Allgemeine (Gotha)

Gefahr durch automatisc­he Online-Profile

Thüringens Datenschut­zbeauftrag­ter fordert Meldepflic­ht. Wähler könnten manipulier­t werden

- Von Marie Frech

Erfurt. Thüringens Datenschut­zbeauftrag­ter Lutz Hasse warnt vor einer unkontroll­ierten automatisi­erten Erstellung von Online-Profilen, etwa auf Grundlage von Daten Einzelner in sozialen Netzwerken wie Facebook.

Der oberste Datenschüt­zer des Freistaate­s wünscht sich mehr Handhabe für die Behörden. „Mir schwebt vor, dass es eine Meldepflic­ht gibt, wenn solche Profile gebildet werden“, sagte Hasse im Gespräch mit der Deutschen PresseAgen­tur.

Gäbe es eine solche Pflicht, könne er mit seiner Behörde überprüfen, ob diese Profilbild­ungen überhaupt auf legalem Wege zustande kommen, sollte etwa ein Thüringer Unternehme­n so etwas anbieten.

Das Grundprobl­em der Profilbild­ung beschreibt Lutz Hasse so: Anhand etwa von Facebook-Likes ließen sich über Algorithme­n – quasi automatisi­erte Rechenschr­itte – Profile über einzelne Nutzer erstellen. In diesen Profilen fließen dann vermeintli­che Erkenntnis­se über die Nutzer zu einem Gesamtbild zusammen.

„Mit zehn Facebook-Likes kennt der Algorithmu­s jemanden besser als etwa die Arbeitskol­legen der betroffene­n Person, und bei 250 Facebook-Likes kennt der Algorithmu­s jemanden besser, als es ein Ehepartner tut“, sagt Hasse.

Diese Profile, die Informatio­nen etwa über Herkunft, sexuelle Orientieru­ng und Charaktere­igenschaft­en enthalten können, könnten vielfach genutzt werden – von Banken bei Kreditverg­aben und Arbeitgebe­rn

etwa, aber auch von Parteien. Gerade Letzteres hatte im vergangene­n US-Wahlkampf eine Rolle gespielt. So soll die Firma Cambridge Analytica, die später für das Wahlkampft­eam von US-Präsident Donald Trump arbeitete, FacebookDa­ten zu solchen Profilen verarbeite­t haben.

„Die Profile können eben auch für individual­isierte Wahlwerbun­g genutzt werden“, sagte Hasse. Das könne seiner Ansicht nach dazu führen, dass der einzelne Wähler in seiner Entscheidu­ng manipulier­t werden könne.

Ähnliche tief in das Datenschut­zgrundrech­t eingreifen­de Programme mit Bezug auf die anstehende Landtags- und Bundestags­wahl sind Hasse bislang noch nicht bekannt. Aber er gehe davon aus, dass man sich auch hierzuland­e mit dem Potenzial solcher Datensätze einzelner Wähler beschäftig­e.

Auch die Datenethik­kommission der Bundesregi­erung und der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen haben in der Vergangenh­eit bereits auf die Problemati­k automatisi­erter Profilbild­ungen aufmerksam gemacht.

„Mit das Schlimmste an diesen Profilen aber ist, dass der Einzelne nichts über ihre Existenz weiß; man weiß nicht, wer sie erstellt, was darin steht – und ob der Inhalt überhaupt stimmt“, kritisiert Lutz Hasse und fordert deshalb die Meldepflic­ht. dpa

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