Tötete Arzt Covid-19-Patienten?
Haftbefehl gegen Mediziner der Essener Uniklinik. Er soll Sterbehilfe bei zwei Schwerkranken geleistet haben
Essen. Es ist ein Thema, das derzeit intensiv in Deutschland diskutiert wird – angesichts des gestrigen Totensonntags, angesichts der Corona-Krise: Sterbehilfe. Mitten in diesen Debatten schockierte die Nachricht vom Wochenende: Ein Oberarzt des renommierten Universitätsklinikums Essen ist festgenommen worden. Er steht im Verdacht, „schwerstkranken Menschen vorsätzlich und rechtswidrig Medikamente in deren letzter Lebensphase verabreicht zu haben, die zum sofortigen Tod führten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium Essen.
Die beiden Männer waren erst 47 und 50 Jahre alt. Sie seien Patienten auf der Station des Oberarztes und in einem sehr kritischen gesundheitlichen Zustand gewesen. Die Staatsanwaltschaft erließ Haftbefehl gegen den Mediziner wegen Totschlags in zwei Fällen. Die Polizei Essen hat eine Mordkommission eingerichtet. Laut Informationen der „Bild“litten die Männer an Covid-19 sowie an erheblichen Vorerkrankungen. Weder Polizei noch Klinik wollten die Corona-Infektion
bisher bestätigen.
Zu den Tötungsdelikten soll es am 13. und am 17. November gekommen sein. Dem Vernehmen nach befanden sich die Patienten auf der Intensivstation des Uniklinikums. Die Festnahme des Mediziners sei am Mittwoch, 18. November, erfolgt. Er sitzt nun in Untersuchungshaft.
Nach Angaben der Klinik war der Oberarzt seit Februar dieses Jahres im Hause tätig. Die Universitätsmedizin bestätigte den Tötungsverdacht gegen den Oberarzt. „Die Universitätsmedizin Essen informierte unverzüglich die Staatsanwaltschaft Essen über den bestehenden Verdacht. Der Mediziner wurde nach Bekanntwerden des Vorfalls sofort außer Dienst gesetzt“, heißt es aus dem Klinikum. Zur Aufklärung des Sachverhalts arbeite die Universitätsmedizin Essen vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden zusammen. Die Ermittler prüfen jetzt, ob es noch weitere Fälle gibt.
Der festgenommene Arzt kam aus einer Heidelberger Klinik nach Essen. Er habe sich schnell eingearbeitet, galt als kompetent, engagiert und war beliebt, heißt es aus dem Umfeld. Es handle sich um einen Anästhesisten. Durch die Pandemie sei die Situation auf der
Intensivstation der Klinik zuletzt belastend gewesen. Dort werden so viele Patienten mit Covid-19 behandelt wie sonst nirgendwo in Nordrhein-Westfalen, einige davon aus dem Ausland.
„Für Täter ist die Gefahr gering, überführt zu werden“
Aktive Sterbehilfe – also das Töten auf Verlangen – ist in Deutschland weiterhin verboten. Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht jedoch eine wichtige Entscheidung zur Neuregelung der Sterbehilfe getroffen. Die Karlsruher Richter hatten das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Sterben festgestellt.
Krankenhäuser seien auch Orte des täglichen Sterbens, sagte Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz: „Für Täter ist deshalb die Gefahr gering, schnell überführt zu werden.“Bei tödlich verlaufenden Krankheiten sei es die Aufgabe der Ärzte, „in Abstimmung mit den Patienten leidenslindernde palliative Hilfe beim Sterben“zu ermöglichen. Im Fall des Oberarztes in Essen bestünden nun „berechtigte Zweifel, ob das die Motive des Mediziners waren“, teilte er mit..