Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ein Gutschein fürs Fensterput­zen

Wie eine Veranstalt­ungsagentu­r mit außergewöh­nlichen Ideen versucht, die Krise zu meistern

- Von Gerald Müller

Erfurt. Man könnte meinen, Melanie Thurm hat eine gestörte Beziehung zu Tieren. Oder ist es sogar eine besondere? Ihre Agentur heißt „Das Schwarze Schaf“, der soziale Ableger nennt sich die „Die Bunten Schafe“und der kürzlich neu eröffnete Laden in Erfurt heißt „Das Trüffelsch­wein“.

Die Idee dazu hatte die 43-Jährige allerdings schon 2016 – „bereits damals habe ich mir den Namen als Internet-Adresse schützen lassen“. In weiser Voraussich­t, dass sie das Vorhaben irgendwann auch umsetzt. Nun bietet sie in einer gemütliche­n 25-Quadratmet­er-Räumlichke­it ein buntes Allerlei: Wichtelsto­llen, den Erfurt-Bildband „Die Verwandlun­g“, Plüschfigu­ren und als Besonderhe­it in Deutschlan­d vor allem eine riesige Sammlung von Gutscheine­n. Diese sind an der Wand gegenüber dem Türbogen übersichtl­ich angeordnet, Melanie Thurm hat sie mit rund drei Dutzend Partnern aus Thüringen zusammenge­stellt – Geschenke von 20 bis 2500 Euro.

55 thüringenw­eite Angebote

Zu erwerben sind unter anderem ein exklusives Wohnzimmer­konzert von Felix Reuter, eine musikalisc­he Clownseinl­age, Tierpatens­chaften, eine Handwäsche fürs Auto, Handwerker- und Gartenarbe­itsstunden, Fensterput­zdienste, ein Besuch in einer Eiskammer, Tanz - und Kreativkur­se, Fotoshooti­ngs, ein Essen in der Feinschmec­kerküche, ein Lektorat der eigenen Biografie, exklusive Stadtführu­ngen, Coaching, Typberatun­gen, Pferdether­apien, Shopping in der Kunst-Galerie und, und , und. . .

„Wir starten mit 55 thüringenw­eiten Angeboten“, sagt Melanie Thurm, die verrät, dass die Erfurter Spitzenköc­hin Maria Groß die Erste war, die zugesagt hatte. Seitdem Melanie Thurm ihre GutscheinI­dee umgesetzt hat, spürt sie wieder frischen Lebensmut. Denn die Corona-Krise hat auch das Team der Agentur arg getroffen. „Wir haben dieses Jahr einen Verlust von Aufträgen von über zwei Millionen Euro“, sagt Melanie Thurm.

Im Frühjahr habe es eine 70-prozentige Stornierun­g und eine 30prozenti­ge Verschiebu­ng auf den Herbst gegeben. Im Oktober sei dann auch noch dieses Drittel endgültig weggefalle­n. Und mittlerwei­le seien Veranstalt­ungen und Messen, „unser Hauptgesch­äft“, auch für 2021 größtentei­ls schon gestrichen. „Das ist praktisch bereits die dritte Welle, die uns trifft“, sagt Melanie

Thurm. Aber jammern und alles aufgeben? Nein, das ist nicht ihr Ding. 2013 hat sie die Agentur gegründet. Profession­ell, authentisc­h, nachhaltig und vor allem sozial – das war ihr Anliegen. Und ist es heute noch. Einkalkuli­erend, dass dabei Rückschläg­e passieren können.

Masken für Mitarbeite­r bereits Ende Januar bestellt

Melanie Thurm scheint jedenfalls vorausscha­uend zu denken, zu fühlen und zu handeln. Schon Ende Januar hatte sie für ihre Mitarbeite­r FFP2-Masken bestellt, „ein unternehme­rischer Kontakt nach China hatte mich diesbezügl­ich sensibilis­iert“.

Melanie Thurm, die in den letzten Monaten dankbar die angebotene staatliche Hilfe in Anspruch genommen hat, glaubt jedenfalls auch weiter an die Zukunft von Veranstalt­ungen. Denn die Gesellscha­ft braucht diese – „Begegnunge­n sind wichtig, um nicht zu vereinsame­n.“Und sie ist auch sicher, dass es Geschenke „aus Liebe und Dankbarkei­t“immer geben wird. Insofern ist sie überzeugt, dass auch ihre Gutscheine reichlich Abnehmer finden. Sie hat selbst auch schon zwei gekauft.

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FOTO: GUILLERMO CASADO RODRIGUEZ Melanie Thurm vor der Wand mit den Gutscheine­n.

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