„Wir müssen bei Corona nachschärfen“
Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther über einen harten Lockdown und Markus Söders Chancen
Kiel/Berlin. Auf der Corona-Karte ist der Süden von Deutschland gefährlich rot, der Norden dagegen noch relativ hell: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat eine gute Erklärung dafür, fürchtet aber auch, dass sich die Lage an der Küste bald verdüstern könnte. Der CDU-Politiker setzt deshalb auf härtere Maßnahmen – im eigenen Land und in ganz Deutschland.
Sie sind da, wo alle anderen hinwollen. Schleswig-Holstein hatte zuletzt eine Sieben-Tage-Inzidenz von rund 50 Fällen pro 100.000 Einwohner. Woran liegt es, dass der Norden so gut da steht? Fegt der Wind die Aerosole weg? Günther:
Die Nähe zum Meer, viel Wind und viel Platz im Land – das spielt vielleicht eine Rolle. Aber viel Platz haben auch andere Länder. Bei uns paart sich norddeutsche Gelassenheit mit der Bereitschaft, Regeln zu akzeptieren, auch wenn sie einem zunächst suspekt erscheinen. Es hat sich aber wohl auch ausgezahlt, dass wir von Anfang an einen sehr klaren Kurs hatten, mit vergleichsweise strengen Regeln: Wenn andere über Beschränkungen gesprochen haben, hatten wir sie in Schleswig-Holstein oft schon eingeführt. Dennoch sehe ich mit Sorge, dass die Infektionszahlen auch bei uns wieder steigen.
Sind Sie härter im Kampf gegen Corona als Markus Söder?
Wir sind konsequent, deshalb haben wir vergleichsweise niedrige Zahlen. Wir Norddeutschen neigen dazu, unsere Maßnahmen einfach zu beschließen und einzuhalten und nicht so viel darüber zu reden.
Der bundesweite Teil-Lockdown ist gescheitert, die Zahlen steigen wieder. Der Ruf nach einem harten Lockdown wird lauter. Die Kanzlerin will es, viele ihrer Länderkollegen wollen es auch. Sind Sie dabei?
Wir sehen, dass sich die Kurve in die falsche Richtung entwickelt.
Wir müssen deshalb bei den Corona-Maßnahmen nachschärfen. Das ist ganz klar. Wir müssen uns auf einen härteren Schritt einstellen – statt den ganzen Winter über einen leichten Lockdown zu haben, bei dem wir aber die Zahlen nicht in den Griff bekommen. Wir sollten uns als Länder hier auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.
An welche Verschärfungen denken Sie?
Wir sollten die Menschen nicht durch hektische Maßnahmen verunsichern und Familien ohne Not in Bedrängnis bringen. Aber: Ich bin offen dafür, noch strengere Maßnahmen zu beschließen, um bundesweit im Alltag Kontakte zu minimieren, zum Beispiel in der Freizeit oder beim Einzelhandel. Wenn wir die Phase nach dem 27. Dezember für Schließungen im Einzelhandel nutzen, richten wir weniger Schaden an als in anderen Zeiten. Unser Ziel muss es sein, die Wochen um den Jahreswechsel zu nutzen, um die Zahlen wieder in den Griff zu bekommen. Sonst stehen wir Anfang Januar vor einer Situation, die uns zwingt, sehr hart eingreifen zu müssen. Dann würde uns jeder zu Recht fragen: Warum kommt ihr erst jetzt damit?
Sollten die Deutschen dieses eine Mal auf Silvesterfeiern jeglicher Art verzichten?
Ja, das sollten sie. Das ideale Silvester sieht dieses Jahr so aus: zu Hause im eigenen Hausstand bleiben, vielleicht gemütlich auf den Jahreswechsel anstoßen. Partys oder ein gemeinsames Anstoßen mit den
Nachbarn zum Jahreswechsel – das muss dieses Mal ausfallen.
Was muss ein Kanzlerkandidat der Union mitbringen, um in der Pandemie gewählt zu werden?
Der Union trauen die Menschen zu, dieses Land gut durch die Krise zu führen. Die Persönlichkeit, die uns als Partei führt, und die Persönlichkeit, die uns in die nächste Wahl führt, muss sich daran orientieren. Die Frage ist: Wem traue ich die Tatkraft zu, in solchen Zeiten klare Entscheidungen zu treffen, die für die Menschen verständlich und nachvollziehbar sind? Wer hat aber auch den nötigen Weitblick, über diese Krise hinauszusehen und das Land auf die nächsten zehn bis zwanzig Jahre vorzubereiten? Beides muss ein Kanzlerkandidat der Union liefern.
Das klingt so, als würden Sie sich einen süddeutschen Kanzlerkandidaten vorstellen können?
Aus meiner Sicht hier im Norden sind ja alle Kandidaten Süddeutsche. Nein, im Ernst: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich meinen Amtskollegen Markus Söder sehr schätze. Und es wäre als CDU unredlich zu sagen, man könne sich keinen Kandidaten aus der CSU vorstellen. Ich habe selbst schon Wahlkampf für Edmund Stoiber gemacht. Ich kann mir also gut vorstellen, so etwas wieder zu machen. Dennoch wird die CDU als größere der beiden Schwesterparteien in dieser Frage ein gewichtiges Wort mitzureden haben.