Thüringer Allgemeine (Gotha)

Dramatisch­er Anstieg bei Corona-Toten

In Deutschlan­d sind an einem Tag 590 Infizierte gestorben. Die Höchstmark­e von 20.000 Toten ist fast erreicht

- Von Alessandro Peduto und Julia Emmrich

Berlin. Tausende Menschen in Deutschlan­d werden Weihnachte­n in diesem Corona-Jahr in Trauer verbringen. Weil sie Eltern, Großeltern, Geschwiste­r oder Freunde verloren haben. Rund zwei Wochen vor Beginn der Feiertage hat die Pandemie einen neuen dramatisch­en Höhepunkt erreicht: Innerhalb eines Tages wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) 590 Todesfälle gemeldet. Das sind so viele wie nie zuvor. Am Mittwoch erreichte das Land mit insgesamt 19.932 Corona-Toten nahezu die traurige Höchstmark­e von 20.000 Opfern. Die Pandemie hat damit eine Dimension erreicht, die bis vor Kurzem unvorstell­bar schien.

Vor allem Menschen in Pflegeheim­en fallen dem Virus zum Opfer. Die Lage in den Kliniken ist kritisch. Das RKI meldet binnen eines Tages weitere 20.815 Neuinfekti­onen. Die Nationale Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina hat die Politik nun in einem eindringli­chen Appell dazu aufgerufen, einen landesweit­en, harten Lockdown bis weit in den Januar hinein zu verhängen. Nur so sei die Pandemie wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ansonsten, so die Befürchtun­g, könnten in nächster Zukunft noch deutlich mehr Menschen wegen Corona sterben.

Wo in Deutschlan­d gibt es die meisten Covid-19-Toten?

Bayern verzeichne­t laut RKI die höchsten Todeszahle­n. Auch im Verhältnis der Verstorben­en zur Bevölkerun­gsgröße hat Bayern die höchsten Zahlen. Insgesamt gab es im südlichen Freistaat bislang 4581 Corona-Tote beziehungs­weise rund 34 pro 100.000 Einwohner. Danach folgt Sachsen, wo 32 Menschen je 100.000 Einwohner mit einer Corona-Infektion starben. NordrheinW­estfalen und Baden-Württember­g liegen mit 4167 beziehungs­weise 3170 Todesfälle­n direkt hinter Bayern.

Im welchen Alter sind die Toten?

Die meisten Covid-19-Todesfälle gibt es laut RKI bei den über 80-Jährigen. In dieser Altersgrup­pe starben bisher fast 13.000 der Infizierte­n. Auch das Durchschni­ttsalter der Verstorben­en liegt bei 83 Jahren. Mehr als 4000 Corona-Tote in Deutschlan­d waren zwischen 70 und 79 Jahre alt, rund 1600 waren zwischen 60 und 69. Bei den jüngeren Altersgrup­pen liegt die Zahl der Covid-19-Todesfälle deutlich niedriger. Laut RKI werden in Altenheime­n die meisten Todesfälle gemeldet. Auch die Infektions­zahlen nehmen dort unter Bewohnern und Pflegekräf­ten deutlich zu.

Was sagen Patientens­chützer dazu?

Sie fordern eine zentrale Meldeplatt­form, ähnlich wie bei den Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser. Es müsse ein bundesweit­es CoronaRegi­ster für die Pflegeeinr­ichtungen geben, das tagesaktue­ll das dortige Infektions­geschehen anzeige, verlangt der Vorsitzend­e der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch. Die Zahl der Infizierte­n, der Genesenen, der Verstorben­en und der Heimbewohn­er, die aufgrund einer Corona-Infektion in eine Klinik verlegt werden mussten, sollten in einem solchen „CoronaPfle­ge-Radar“erfasst werden, sagte Brysch unserer Redaktion. Zudem müsse das jeweils zur Verfügung stehende Personal an ein solches Register gemeldet werden. „Nur so wird auch offenbar, wo sofort praktische Unterstütz­ung von außen notwendig ist.“In Kombinatio­n mit Hygienereg­eln und häufigen Tests lasse sich der Schutz Pflegebedü­rftiger auf diese Weise deutlich erhöhen.

Wie ist die Lage in den Kliniken?

Äußerst angespannt. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, sagte im Deutschlan­dfunk, das Personal arbeite unter einer sehr hohen Belastung. Der Spitzenwer­t aus dem Frühjahr, als bundesweit rund 2900 Covid-19-Patienten auf den Intensivst­ationen behandelt wurden, sei bereis am 8. November erreicht worden. Die Zahlen stiegen seither kontinuier­lich an. „Und es ist gar kein Ende absehbar“, so Gaß, „wir haben im Gesundheit­swesen

seit vielen Wochen eine hohe Belastung.“Laut dem Intensivbe­ttenregist­er wurden zuletzt 4279 Covid-19-Patienten auf Intensivst­ationen behandelt, 2519 wurden invasiv beatmet.

„Wir haben im Gesundheit­swesen seit vielen Wochen eine hohe Belastung.“

Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft

Wie will die Bundesregi­erung Risikogrup­pen besser schützen?

Das Gesundheit­sministeri­um will an Menschen über 60 oder mit Vorerkrank­ungen FFP2-Masken verteilen lassen. Sie bieten einen deutlich höheren Schutz vor Infektione­n. Jeder Anspruchsb­erechtigte bekommt insgesamt 15 Masken. Drei davon erhält er noch in diesem Jahr in der Apotheke, wenn er seinen Personalau­sweis vorlegt oder die Bedürftigk­eit schlüssig darlegt. Die restlichen zwölf Masken werden ab Januar in zwei Sechserpac­kungen ausgegeben. Hierfür werden die Krankenkas­sen fälschungs­sichere Coupons an die Versichert­en ausgeben. Die drei Masken, die in diesem Jahr verteilt werden, sind kostenlos. Für jede der beiden Sechserpac­kungen, die im kommenden Jahr ausgegeben werden sollen, wird eine Eigenbetei­ligung von zwei Euro fällig.

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FOTO: JENS BÜTTNER / DPA Auf den Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser steigt die Zahl der Patienten stark an.

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