„Die Zahl der Kontakte ist zu hoch“
In der Generaldebatte zum Haushalt ruft die Kanzlerin die Bevölkerung zum Durchhalten auf – und nennt eine Zielmarke
Berlin. Wenn Angela Merkel die Dramatik der Lage deutlich machen will, rechnet sie vor. Das war im September so, als sie prognostizierte, die Zahl der Corona-Neuinfektionen könnte bei weiterem exponentiellen Wachstum bis Weihnachten bei 19.200 liegen.
Das ist auch am Mittwochmorgen im Bundestag so, als sie in der Generaldebatte zum Haushalt am Rednerpult steht. Merkel vergleicht die aktuellen Corona-Zahlen mit jenen vom 29. September, dem Tag der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs. Damals habe es 1827 gemeldete Neuinfektionen gegeben und zwölf Tote, sagt Merkel und zieht ihr Fazit: „Die Zahl der Kontakte ist zu hoch, die Reduktion der
Kontakte ist nicht ausreichend.“
Mit diesen Worten will Merkel darauf einstimmen, dass wohl noch in diesem Jahr härtere Regeln auf die Bürger zukommen. Noch ist nichts entschieden, das Kanzleramt verhandelt derzeit mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten über ein neuerliches Treffen vor Weihnachten. Aber in ihrer Rede vor dem Parlament macht Merkel schon klar, dass sie diesen
Schritt für unumgänglich hält. Mehrfach erwähnt sie lobend die Stellungnahme von über 30 Wissenschaftlern, die die Leopoldina am Dienstag veröffentlichte. In ihr wird empfohlen, die Schulpflicht bereits ab dem 14. Dezember auszusetzen; ab dem 24.12. soll dann ein harter Lockdown folgen, mit einer Schließung der meisten Geschäfte. „Bis Weihnachten sind es noch 14 Tage“, mahnt Merkel. Man müsse alles tun, um nicht wieder in ein exponentielles Wachstum zu kommen.
Merkel plädiert fürs Vorziehen der Schulferien auf den 16. Dezember – damit die Menschen sich vor dem weihnachtlichen Verwandtenbesuch zehn Tage in eine Art Selbstquarantäne begeben können. „Was wird man denn im Rückblick auf ein Jahrhundertereignis sagen, wenn wir nicht in der Lage waren, für diese drei Tage eine Lösung zu finden?“, fragt Merkel. Sie verstehe alle, die derzeit draußen bei einem Glühwein zusammenkämen. Aber bei 590 Toten täglich sei der Preis zu hoch: „Es tut mir wirklich leid.“Fast flehend klingt sie dabei.
Nicht weniger flehend ist ihr Appell an die Bürger durchzuhalten. „Wir sind in einer entscheidenden Phase der Pandemiebekämpfung.“Alle historischen Erfahrungen würden zeigen, dass die zweite Welle viel schwieriger sei als die erste. Merkel versucht, Mut zu machen: „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels.“Auch ein zeitliches Ziel nennt sie. „Die Winterzeit geht bis Mitte März. Das ist eine überschaubare Zeit, die kriegen wir hin.“