Thüringer Allgemeine (Gotha)

Erst Anzeige, dann Rückzug Gerichtsbe­richt

Zeugin kommt nicht zur Verhandlun­g und schreibt dem Gericht einen langen Brief

- Von Klaus-Dieter Simmen

Gotha. Der 34-Jährige hat seinen Lehrberuf nicht abschließe­n können, eine Operation sei dazwischen­gekommen, sagt er. Danach habe sich keine Möglichkei­t ergeben, das nachzuhole­n. Sein Auskommen in einem Beruf hat er trotzdem gefunden. Seit knapp zwei Jahrzehnte­n ist er in der Sicherheit­sbranche tätig, wo er notwendige Abschlüsse erworben hat.

Jetzt muss er sich vorm Amtsgerich­t in Gotha verantwort­en, weil ihn die Ex-Freundin angezeigt hat, ihr vor Jahresfris­t zweimal Gewalt angetan zu haben. Dafür gab es einen Strafbefeh­l, gegen den der Angeklagte Einspruch erhoben hat. Ihm sei nichts anderes übriggebli­eben, sagt er, denn keiner der Vorwürfe entspricht den Tatsachen.

Vorwürfe der Körperverl­etzung seien aus der Luft gegriffen

Weder habe er seine damalige Freundin geschubst, so dass sie gestürzt sei, noch anschließe­nd gewürgt. Der Vorwurf, sie die Kellerstuf­en hinabgesto­ßen und anschließe­n brutal an den Armen hochgeriss­en zu haben, sei auch aus der Luft gegriffen. Richtig sei, dass zu der angegeben Zeit Ende vergangene­n Jahre die Beziehung längst schon in die Brüche gegangen sei. Nach Aufforderu­ng sei er aus der gemeinsame­n Wohnung ausgezogen, erzählt der Angeklagte. Allerdings habe sich ihm die Frau in den Weg gestellt, als er gehen wollte. Sie sei schon sehr speziell, charakteri­siert er seine ehemalige Partnerin.

Für anderthalb Wochen hat der Mann dann sein Quartier im Keller bezogen, bis er eine eigene Wohnung gefunden hatte. Üblicherwe­ise wird zum Fall die Geschädigt­e im Zeugenstan­d befragt. Das ist diesmal nicht möglich.

Die Frau hat der Richterin einen langen Brief geschriebe­n, in dem sie begründet, warum sie nicht als Zeugin befragt werden möchte. Das lehnt der Verteidige­r ab. Für ihn ist klar: Wer solche Vorwürfe erhebt, muss auch dazu stehen. Die Gründe, weshalb sich die Geschädigt­e dazu außerstand­e sieht, sind vielfältig. Sie führt ihre angeschlag­ene Gesundheit ins Feld, die nun wieder einigermaß­en stabil ist. Sie spricht über ihre Psyche, die durcheinan­dergeraten war, und ihre Schwangers­chaft. Sie sei jetzt verheirate­t und möchte mit der Vergangenh­eit abschließe­n. Letztlich möchte sie schon aus Angst vor dem Coronaviru­s keinen öffentlich­en Auftritt. Zum Schluss erklärt sie, auf jede rechtliche Verfolgung der Taten ihres Ex-Freundes zu verzichten.

Staatsanwa­lt prüft zweiten Tatvorwurf erneut

Die Zeugin stellt also das Verfahren gegen den Angeklagte­n ein, konstatier­t die Richterin. Was die Frau natürlich nicht kann. Der Staatsanwa­lt hingegen kann es und ist mehr als geneigt, das auch zu tun. Er blättert im Protokoll und kommt zum Schluss, dass der zweite Tatvorwurf auch eine ganz andere Lesart erfahren kann. Dann hat der Angeklagte seine Freundin nach einem Sturz bei den Armen gegriffen und hochgehobe­n. Weil ihr das Schmerzen bereitet, habe er sie losgelasse­n. Das zeige, sagt der Staatsanwa­lt, dass es gar nicht darum gegangen sei, der Frau Gewalt anzutun. Und deshalb beantragt er, den Angeklagte­n von den Vorwürfen freizuspre­chen.

Der Verteidige­r schließt sich dem mit Freude an. So auch Richterin Wera Luckhardt. Dabei legt sie fest, dass der Staat die Kosten für die Verhandlun­g trägt, der Angeklagte hingegen für seine eigenen Auslagen selbst aufkommen muss. Das wird von der Verteidigu­ng akzeptiert.

 ?? FOTO: PETER RIECKE ?? Im Amtsgerich­t Gotha wird der Fall verhandelt.
FOTO: PETER RIECKE Im Amtsgerich­t Gotha wird der Fall verhandelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany