Erst Anzeige, dann Rückzug Gerichtsbericht
Zeugin kommt nicht zur Verhandlung und schreibt dem Gericht einen langen Brief
Gotha. Der 34-Jährige hat seinen Lehrberuf nicht abschließen können, eine Operation sei dazwischengekommen, sagt er. Danach habe sich keine Möglichkeit ergeben, das nachzuholen. Sein Auskommen in einem Beruf hat er trotzdem gefunden. Seit knapp zwei Jahrzehnten ist er in der Sicherheitsbranche tätig, wo er notwendige Abschlüsse erworben hat.
Jetzt muss er sich vorm Amtsgericht in Gotha verantworten, weil ihn die Ex-Freundin angezeigt hat, ihr vor Jahresfrist zweimal Gewalt angetan zu haben. Dafür gab es einen Strafbefehl, gegen den der Angeklagte Einspruch erhoben hat. Ihm sei nichts anderes übriggeblieben, sagt er, denn keiner der Vorwürfe entspricht den Tatsachen.
Vorwürfe der Körperverletzung seien aus der Luft gegriffen
Weder habe er seine damalige Freundin geschubst, so dass sie gestürzt sei, noch anschließend gewürgt. Der Vorwurf, sie die Kellerstufen hinabgestoßen und anschließen brutal an den Armen hochgerissen zu haben, sei auch aus der Luft gegriffen. Richtig sei, dass zu der angegeben Zeit Ende vergangenen Jahre die Beziehung längst schon in die Brüche gegangen sei. Nach Aufforderung sei er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, erzählt der Angeklagte. Allerdings habe sich ihm die Frau in den Weg gestellt, als er gehen wollte. Sie sei schon sehr speziell, charakterisiert er seine ehemalige Partnerin.
Für anderthalb Wochen hat der Mann dann sein Quartier im Keller bezogen, bis er eine eigene Wohnung gefunden hatte. Üblicherweise wird zum Fall die Geschädigte im Zeugenstand befragt. Das ist diesmal nicht möglich.
Die Frau hat der Richterin einen langen Brief geschrieben, in dem sie begründet, warum sie nicht als Zeugin befragt werden möchte. Das lehnt der Verteidiger ab. Für ihn ist klar: Wer solche Vorwürfe erhebt, muss auch dazu stehen. Die Gründe, weshalb sich die Geschädigte dazu außerstande sieht, sind vielfältig. Sie führt ihre angeschlagene Gesundheit ins Feld, die nun wieder einigermaßen stabil ist. Sie spricht über ihre Psyche, die durcheinandergeraten war, und ihre Schwangerschaft. Sie sei jetzt verheiratet und möchte mit der Vergangenheit abschließen. Letztlich möchte sie schon aus Angst vor dem Coronavirus keinen öffentlichen Auftritt. Zum Schluss erklärt sie, auf jede rechtliche Verfolgung der Taten ihres Ex-Freundes zu verzichten.
Staatsanwalt prüft zweiten Tatvorwurf erneut
Die Zeugin stellt also das Verfahren gegen den Angeklagten ein, konstatiert die Richterin. Was die Frau natürlich nicht kann. Der Staatsanwalt hingegen kann es und ist mehr als geneigt, das auch zu tun. Er blättert im Protokoll und kommt zum Schluss, dass der zweite Tatvorwurf auch eine ganz andere Lesart erfahren kann. Dann hat der Angeklagte seine Freundin nach einem Sturz bei den Armen gegriffen und hochgehoben. Weil ihr das Schmerzen bereitet, habe er sie losgelassen. Das zeige, sagt der Staatsanwalt, dass es gar nicht darum gegangen sei, der Frau Gewalt anzutun. Und deshalb beantragt er, den Angeklagten von den Vorwürfen freizusprechen.
Der Verteidiger schließt sich dem mit Freude an. So auch Richterin Wera Luckhardt. Dabei legt sie fest, dass der Staat die Kosten für die Verhandlung trägt, der Angeklagte hingegen für seine eigenen Auslagen selbst aufkommen muss. Das wird von der Verteidigung akzeptiert.