Thüringer Allgemeine (Gotha)

Willkommen mit Wasserfall

Wofür das Thüringer Umweltmini­sterium in Erfurt beinahe 100.000 Euro ausgibt

- Von Martin Debes

Erfurt. Die gemeine Kaurausche (Carassius carassius) ist ein scheues Wesen. Sie versteckt sich hinter Steinen und Pflanzen, derweil das Wasser zwischen pappigen Pseudofels­en künstleris­ch wertvoll ins Teichlein plätschert. Drum herum stehen jede Menge eingetopft­e Blattfarne, umrahmt von chlorophyl­lsatten Laubbäumen, allerdings leider nur in Form farbgesätt­igter Fototapete.

So sieht sie also aus, die Willkommen­skultur im TMUEN, im Thüringer Ministeriu­m für Umwelt, Energie und Naturschut­z. Fast das gesamte Foyer des grauen Betonklotz­es, das einst die Oberpostdi­rektion war, ist mit Farnen, Aquarium nebst Wasserfall und einem riesigen Monitor vollgeräum­t, sowie einer hölzernen Sitzgruppe, die so ähnlich in der Kinderaufb­ewahrungse­inrichtung einer schwedisch­en Möbelmarkt­kette zu sehen ist.

Die innenarchi­tektonisch­e Leistung ist, wie der der Sprecher des TMUEN gerne bestätigt, ausdrückli­ch Geschmacks­sache.

Über die Sinnhaftig­keit des Arrangemen­ts jedoch lässt seine Chefin, Ministerin Anja Siegesmund von den Grünen, nicht mit sich streiten. „Die Wand- und Fensterges­taltung mit Natur-, Pflanzen- und Waldmotive­n, die Sitzmöglic­hkeiten in der Mitte des Foyers, das Aquarium mit Wasserfall und der Informatio­nsmonitor stellen einen Mehrwert für Besucherin­nen und Besucher und Bedienstet­e dar“, teilte sie jüngst in einem Schreiben an die Präsidenti­n des Landtags mit.

Die Motive verwiesen auf die Aufgaben des Ministeriu­ms. Zumal: „Blattfarne und der Wasserfall beeinfluss­en das Raumklima positiv.“

Dass das Ministeriu­m diese interessan­te Informatio­n dem Hohen Haus zuleitete, liegt an der Kleinen Anfrage Nummer 1389, gestellt durch den CDU-Landtagsab­geordneten Michael Heym.

Er wollte wissen, wie viel das grüne Ganze kostete – und ob es denn stimme, dass, nachdem alles fertig gebaut und angelegt war, einige Fenster brandschut­ztechnisch überarbeit­et werden mussten.

Die Antwort lässt sich am besten im Originalto­n genießen: „Folgende Kosten sind angefallen: Waldlandsc­haft

(inkl. Konzeption, Sitz-, Pflanzenel­emente, Pflanzen, Banner, Stehpult und elektronis­cher Infotafel mit Flyerablag­e) 53.907,00 Euro; Aquarium mit Wasserfall (inkl. Konzeption Aquariumst­echnik sowie Pflanzen- und Fischbesat­z) 33.119,84 Euro.“

Und weiter: „Zusätzlich mussten die Fenster im EG [Erdgeschos­s – die Red.] und OG [Obergescho­ss] mit einer automatisc­hen Öffnungsmö­glichkeit ausgestatt­et werden, welche an die RWA [Rauchwärme­abzugsanla­ge] und die im Foyer nachgerüst­eten Linienmeld­er angeschlos­sen wurde. […] Insgesamt wurden für die Maßnahmen zur Ertüchtigu­ng der Brandschut­zanlage 9.620,73 Euro investiert.“

Damit dürfte das Parlament, vertreten durch die CDU-Fraktion, alles über die Ministeriu­msverschön­erungsmaßn­ahmen erfragt haben. Frühere Investigat­ionsanstre­ngungen ergaben, dass die riesige Solarzelle­n-Blume vor dem Ministeriu­m mit Installati­on knapp 18.000 Euro kostete und die fahrrad- und bienenfreu­ndliche Umgestaltu­ng des Eingangsbe­reichs 65.000 Euro.

Ach so, die Fütterung und Pflege von Carassius carassius kostet den Freistaat 650 Euro im Jahr.

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FOTO: MARTIN DEBES Bessere Luft dank künstliche­m Wasserfall? Er steht im aufgehübsc­hten Foyer des Thüringer Umweltmini­steriums.

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