Thüringer Allgemeine (Gotha)

Im Visier der Planenschl­itzer

Kriminelle wieder verstärkt aktiv. Spediteur klagt: „Die haben keine Hemmschwel­le mehr“

- Von Fabian Klaus

Erfurt. Mittwochmo­rgen auf einem Parkplatz an der A4: Pakete liegen verteilt herum. Drei Lastwagen wurden in der Nacht von „Planenschl­itzern“angegriffe­n. Wieder einmal. Die Polizei ermittelt. Wie so oft in diesen Fällen auch diesmal gegen „Unbekannt“.

Die aktuellen Taten sind nicht die ersten in den vergangene­n Wochen. „Die haben keine Hemmschwel­le mehr“, sagt Thomas Krauße im Gespräch mit dieser Zeitung. Er leitet eine Spedition in Brandenbur­g. Regelmäßig pausieren seine Fahrer in Thüringen, nutzen in der Regel die stark frequentie­rte Autobahn A 4. Allein vier Mal wurden Lastwagen seines Unternehme­ns binnen zwei Wochen dort im November angegriffe­n.

Insbesonde­re die Attacke auf dem Autohof Schwabhaus­en bei Gotha deutet auf ein gezieltes Vorgehen der Täter hin. Kraußes Unternehme­n ist nicht allein betroffen. „Es wurden 14 Planen geschlitzt“, teilt eine Sprecherin der Autobahnpo­lizeiinspe­ktion (API) zur Nacht vom 20. auf den 21. November mit. Die Beute jedoch blieb gering: Pyrotechni­k und eine Packung Waschmitte­l seien aus den Lastwagen entwendet worden, heißt es von der Polizei. Gesamtwert: 500 Euro. Kurz zuvor war bereits auf dem Autohof Mellingen ein Lastwagen auf identische Weise attackiert worden. Die Täter machten allerdings keine Beute. Die API ermittelt zu den Taten.

„Auch in meinem Fall sind die Güter drauf geblieben“, sagt Thomas Krauße. Einen weiteren Versuch bei Stadtroda, einen seiner

Lkw auszuraube­n, hat der Spediteur gar nicht mehr angezeigt. Er wirkt frustriert. „Mit den Benachrich­tigungen, die Täter seien nicht ermittelt worden, kann ich eine ganze Wand tapezieren“, sagt er. Es passiere einfach nichts.

Martin Kammer, Hauptgesch­äftsführer des Landesverb­ands des Verkehrsge­werbes (LTV) in Thüringen, will das nicht pauschal bestätigen. Einige Jahre sei es her, dass der Verband an die Politik herangetre­ten sei, weil das Problem immer massiver wurde. „Uns wurde damals versproche­n, dass die Kräfte verstärkt werden“, sagt Kammer. Darauf vertraue man. Gleichwohl erwartet Kammer wie Krauße, dass die Ermittlung­en intensiv geführt und die Taten aufgeklärt werden.

In aller Regel fehlen der Polizei aber die Ermittlung­sansätze. Das Problem: Die Banden kommen bei Nacht und sind meist genauso schnell weg wie sie gekommen sind. „Man bekommt das nicht einmal mit“, sagt Thomas Krauße. Er selbst hat auf einem Autohof bei Gotha mit einem Lastwagen gestanden, dessen Plane er am nächsten Tag aufgeschli­tzt vorfand. Seine Fahrer hätten die Anweisung, nur noch auf Autohöfen ihre Pausen einzulegen, die beleuchtet sind. Dass aber auch das nicht schützt, zeigt unter anderem die Tat in Mellingen.

In den vergangene­n zwei Monaten hat die Thüringer Polizei wieder zahlreiche Fälle von aufgeschli­tzten Lkw-Planen registrier­t. Der Schaden des Beutegutes ist dabei meist geringer als der Sachschade­n. Für die Monate Oktober und November heißt das konkret: Es wurde Beute im Wert von 2000 Euro gemacht und dabei ein Schaden von mehr als 6000 Euro angerichte­t. Seit Jahresbegi­nn wurden insgesamt 36 sogenannte Komplexver­fahren mit 56 angegriffe­nen Fahrzeugen bei der Autobahnpo­lizei eingeleite­t.

„Diese Schäden müssen die Unternehme­r in der Regel selbst begleichen und daraus ergeben sich dann wieder Folgeschäd­en“, sagt Martin Kammer. Für die Unternehme­r sei das ein Teufelskre­is. Denn ihre Fahrer müssten am Ende der gesetzlich­en Lenkzeit einen sicheren Parkplatz erreichen können – gelingt das nicht, was bei der auch in Thüringen existieren­den Parkplatzn­ot nicht selten vorkommt, stehen sie mit ihren Lastern auf dunkle Parkplätze­n, an Feldwegen oder in Parkbuchte­n an der Landstraße.

Einen Sicherheit­sparkplatz gibt es in Thüringen derzeit nicht. 2016 zog sich der Betreiber am Hermsdorfe­r Kreuz zurück, weil die Frequentie­rung nicht ausreichte, damit sich der Parkplatz trägt. Offenbar waren die Unternehme­n von den damals hohen Preisen für die Nutzung abgeschrec­kt worden. „Solche Parkplätze müsste es deutlich häufiger geben“, sagt Martin Kammer.

Den Unternehme­rn bleibt derweil nur die Hoffnung, dass der Kelch an ihnen vorübergeh­t und die Polizei vielleicht doch irgendwann einen Ermittlung­serfolg vorzeigen kann. Wie 2019: Da wurde ein 24Jähriger zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er vier Jahre vorher bei einem Raubzug auf einem Autobahnpa­rkplatz im Eichsfeld eine führende Rolle gespielt haben soll.

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 ?? ARCHIV-FOTO: MARCO KNEISE ?? Dicht an dicht stehen Lkw auf den wenigen Autobahnpa­rkplätzen in Thüringen. Dort sind sie in diesem Jahr bereits mehrfach Ziel von Planenschl­itzern geworden, die meist nachts auf der Suche nach Beute kommen.
ARCHIV-FOTO: MARCO KNEISE Dicht an dicht stehen Lkw auf den wenigen Autobahnpa­rkplätzen in Thüringen. Dort sind sie in diesem Jahr bereits mehrfach Ziel von Planenschl­itzern geworden, die meist nachts auf der Suche nach Beute kommen.

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