Im Visier der Planenschlitzer
Kriminelle wieder verstärkt aktiv. Spediteur klagt: „Die haben keine Hemmschwelle mehr“
Erfurt. Mittwochmorgen auf einem Parkplatz an der A4: Pakete liegen verteilt herum. Drei Lastwagen wurden in der Nacht von „Planenschlitzern“angegriffen. Wieder einmal. Die Polizei ermittelt. Wie so oft in diesen Fällen auch diesmal gegen „Unbekannt“.
Die aktuellen Taten sind nicht die ersten in den vergangenen Wochen. „Die haben keine Hemmschwelle mehr“, sagt Thomas Krauße im Gespräch mit dieser Zeitung. Er leitet eine Spedition in Brandenburg. Regelmäßig pausieren seine Fahrer in Thüringen, nutzen in der Regel die stark frequentierte Autobahn A 4. Allein vier Mal wurden Lastwagen seines Unternehmens binnen zwei Wochen dort im November angegriffen.
Insbesondere die Attacke auf dem Autohof Schwabhausen bei Gotha deutet auf ein gezieltes Vorgehen der Täter hin. Kraußes Unternehmen ist nicht allein betroffen. „Es wurden 14 Planen geschlitzt“, teilt eine Sprecherin der Autobahnpolizeiinspektion (API) zur Nacht vom 20. auf den 21. November mit. Die Beute jedoch blieb gering: Pyrotechnik und eine Packung Waschmittel seien aus den Lastwagen entwendet worden, heißt es von der Polizei. Gesamtwert: 500 Euro. Kurz zuvor war bereits auf dem Autohof Mellingen ein Lastwagen auf identische Weise attackiert worden. Die Täter machten allerdings keine Beute. Die API ermittelt zu den Taten.
„Auch in meinem Fall sind die Güter drauf geblieben“, sagt Thomas Krauße. Einen weiteren Versuch bei Stadtroda, einen seiner
Lkw auszurauben, hat der Spediteur gar nicht mehr angezeigt. Er wirkt frustriert. „Mit den Benachrichtigungen, die Täter seien nicht ermittelt worden, kann ich eine ganze Wand tapezieren“, sagt er. Es passiere einfach nichts.
Martin Kammer, Hauptgeschäftsführer des Landesverbands des Verkehrsgewerbes (LTV) in Thüringen, will das nicht pauschal bestätigen. Einige Jahre sei es her, dass der Verband an die Politik herangetreten sei, weil das Problem immer massiver wurde. „Uns wurde damals versprochen, dass die Kräfte verstärkt werden“, sagt Kammer. Darauf vertraue man. Gleichwohl erwartet Kammer wie Krauße, dass die Ermittlungen intensiv geführt und die Taten aufgeklärt werden.
In aller Regel fehlen der Polizei aber die Ermittlungsansätze. Das Problem: Die Banden kommen bei Nacht und sind meist genauso schnell weg wie sie gekommen sind. „Man bekommt das nicht einmal mit“, sagt Thomas Krauße. Er selbst hat auf einem Autohof bei Gotha mit einem Lastwagen gestanden, dessen Plane er am nächsten Tag aufgeschlitzt vorfand. Seine Fahrer hätten die Anweisung, nur noch auf Autohöfen ihre Pausen einzulegen, die beleuchtet sind. Dass aber auch das nicht schützt, zeigt unter anderem die Tat in Mellingen.
In den vergangenen zwei Monaten hat die Thüringer Polizei wieder zahlreiche Fälle von aufgeschlitzten Lkw-Planen registriert. Der Schaden des Beutegutes ist dabei meist geringer als der Sachschaden. Für die Monate Oktober und November heißt das konkret: Es wurde Beute im Wert von 2000 Euro gemacht und dabei ein Schaden von mehr als 6000 Euro angerichtet. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 36 sogenannte Komplexverfahren mit 56 angegriffenen Fahrzeugen bei der Autobahnpolizei eingeleitet.
„Diese Schäden müssen die Unternehmer in der Regel selbst begleichen und daraus ergeben sich dann wieder Folgeschäden“, sagt Martin Kammer. Für die Unternehmer sei das ein Teufelskreis. Denn ihre Fahrer müssten am Ende der gesetzlichen Lenkzeit einen sicheren Parkplatz erreichen können – gelingt das nicht, was bei der auch in Thüringen existierenden Parkplatznot nicht selten vorkommt, stehen sie mit ihren Lastern auf dunkle Parkplätzen, an Feldwegen oder in Parkbuchten an der Landstraße.
Einen Sicherheitsparkplatz gibt es in Thüringen derzeit nicht. 2016 zog sich der Betreiber am Hermsdorfer Kreuz zurück, weil die Frequentierung nicht ausreichte, damit sich der Parkplatz trägt. Offenbar waren die Unternehmen von den damals hohen Preisen für die Nutzung abgeschreckt worden. „Solche Parkplätze müsste es deutlich häufiger geben“, sagt Martin Kammer.
Den Unternehmern bleibt derweil nur die Hoffnung, dass der Kelch an ihnen vorübergeht und die Polizei vielleicht doch irgendwann einen Ermittlungserfolg vorzeigen kann. Wie 2019: Da wurde ein 24Jähriger zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er vier Jahre vorher bei einem Raubzug auf einem Autobahnparkplatz im Eichsfeld eine führende Rolle gespielt haben soll.