Überfällige Reform des Rundfunks Eine Betrachtung
Wer die Öffentlich-Rechtlichen kritisiert, gilt schnell als Populist. Dabei ist eine breite Debatte über Gebühren von ARD und Co. nötiger denn je
Berlin. Reden wir über die ARD. Was in Zeiten wie diesen nicht so leicht ist, wie es erscheinen mag. Denn nicht erst, seit ein ostdeutscher Ministerpräsident die bei den Anstalten fest einkalkulierte Beitragserhöhung für die kommenden Jahre im Alleingang gekippt hat, stehen sich die Lager in Sachen Staatsfunk unversöhnlich gegenüber: Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die einen ein zwangsfinanzierter Geldverbrenner und Selbstbedienungsladen parteipolitischer Interessen, sehen andere in nahezu jeder Form von Kritik den Angriff auf ein Bollwerk der Demokratie. Beides trifft die Wahrheit nicht.
Rasseln gehört auch für die Intendanten der neun regionalen Anstalten zum Handwerk. Nachdem die geplante Anhebung der Gebühren um 86 Cent zum 1. Januar 2021 erst mal vom Tisch ist, laufen die Senderverantwortlichen Sturm gegen die Entscheidung aus Sachsen-Anhalt, der Erhöhung nicht zuzustimmen. WDR-Chef Tom Buhrow, zugleich Vorsitzender der ARD, spricht von „Not“und droht empfindliche Einschnitte im Programm an, sollten die Mehreinnahmen trotz einer Verfassungsklage ausbleiben. Knapp 400 Millionen Euro jährlich würden den ÖffentlichRechtlichen fehlen.
Was Buhrow verschweigt: Angesichts eines Gesamtjahresetats von rund acht Milliarden Euro steht kaum zu befürchten, dass den Zuschauern
bei einer Nullrunde Hören und Sehen vergehen wird. Tatsächlich bilden ARD und ZDF ein Medienimperium, das weltweit als der teuerste Vertreter seiner Art gilt. Für private Medienhäuser ist der gebührenfinanzierte Staatskonzern auf vielen Feldern ein Wettbewerbsverzerrer. Und für viele Zuschauer stellt sich die Frage, ob sich Programm und ein mitunter fragwürdiges Sendungsbewusstsein noch an ihren Bedürfnissen orientieren.
Lösen kann das Problem nur die Politik
Die Reichweiten in den jüngeren Zielgruppen sind erschreckend niedrig. Bei den 14- bis 49-Jährigen überspringt etwa das ZDF nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde, auch der ARD gelingt es nicht, signifikant bei den unter 60-Jährigen zu punkten. Angesichts der Beitragsmilliarden, die stetig in das System gepumpt werden, ist die Bilanz ernüchternd. In immer größeren Teilen der Bevölkerung nimmt das staatlich geförderte Programm nur noch eine Nische ein.
Und es fehlt erkennbar an weltanschaulicher Offenheit: ob bei der Auswahl von Talkshow-Gästen, in Kommentaren oder Beiträgen zu Klimawandel oder bei der Pandemie-Berichterstattung, bei der einige Forscher den Öffentlich-Rechtlichen unlängst einen regelrechten „Tunnelblick“attestierten. Ein Druck auf die Fernbedienung reicht oftmals aus, um die Kluft zwischen öffentlich-rechtlichem Qualitätsversprechen
und TV-Wirklichkeit zu erkennen. Selbst der lautstarke Beistand der vielen Unterstützer aus Politik und Kultur kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die ARD zu einer in Bürokratismen erstarrten Medienmacht entwickelt hat, ohne wirksame Kontrolle von außen und unfähig zum tiefgreifenden Veränderungsprozess. Kritik an Konturlosigkeit und mitunter willfähriger Berichterstattung lässt sich nicht mehr allein im Milieu der Populisten verorten.
Lösen kann das Problem nur die Politik – mit einer tiefgreifenden Reform des föderalen Modells mit den vielen Landeshäusern und den Doppel- und Dreifachstrukturen. Das damit winkende Einsparpotenzial übersteigt den vorgeblichen Mehrbedarf der nächsten Jahre um ein Vielfaches, auch wenn es aufgrund der enorm hohen Personalund Pensionskosten nicht von heute auf morgen zu realisieren ist. Auf den Prüfstand gehören auch die immensen Summen, die für überteuerte Sportrechte ausgegeben werden.
Wirtschaftlicher Zwang als Reformbeschleuniger
Eine Reform muss auch mehr Pluralismus möglich machen. Denn bei vielen ARD-Sendern scheint der in den Gründerjahren der Nachkriegszeit gesetzlich verankerte Bildungsund Informationsauftrag einem Erziehungsauftrag gewichen zu sein. Über dessen „Lehrpläne“bestimmen Führungskräfte, die aus ihrer politischen Nähe zu Parteien kein Hehl machen und sich, wie „Monitor“-Chef Georg Restle, vom „Neutralitätswahn“im Journalismus zu befreien suchen.
Die Folge ist eine wechselseitig gefühlte Abkopplung vom Gros der Zielgruppe mit dem Risiko, dass Sender bei zentralen Debatten ihrer verfassungsmäßigen Funktion nicht mehr gerecht werden. Gerade im Nachrichtenbereich versagt die ARD viel zu oft vor dem eigenen Anspruch – indem sie Einseitigkeit und Partialinteressen befördert, Sektierertum für Meinungsstärke hält, wo Moderatoren agieren, als wären sie Partei und nicht Korrektiv der Politik. Der Mangel an Selbstreflexion, so scheint es, kann nur durch einen Anstoß von außen behoben werden. Wirtschaftlicher Zwang kann dabei durchaus zum Reformbeschleuniger werden.