„Die Rache der Weihnachtsgurke“ von Julia Bruns
Ansonsten begreife ich noch immer nicht, was er von mir will. „Der Mord ist ein guter Anlass für die Gegner unserer Dorfweihnacht, das Ganze zu verbieten“, sagt der Blaschke Bürgermeister nun und ich komme nicht umhin, ihm seine Betroffenheit darüber abzunehmen.
„Mir war nicht klar, dass wir etwas Illegales tun“, werfe ich ein.
Ruprecht schaut den Blaschke fragend an.
„Unsinn. Natürlich nicht. Wir leben die lange Tradition des deutschen Weihnachtsfestes. Daran ist nichts Verwerfliches. Im Gegenteil. Noch dazu verschwenden wir auch keine öffentlichen Gelder. Alles korrekt“, wiegelt der Blaschke ab.
Ruprecht atmet erleichtert aus. „Aber?“, frage ich und nehme zur Kenntnis, dass der Blaschke und Tante Hildegard etwas anderes gemeint haben. Überdies hätte ich dann schon einmal gern gewusst, wer eigentlich den ganzen Dezemberblödsinn bezahlt. Aber dafür ist jetzt der gänzlich falsche Zeitpunkt.
„Meine Güte, Märker!“Der Blaschke Bürgermeister fängt an, mit seinem massigen Oberkörper zu kreisen. „Bist du wirklich so dämlich?“
Ich behalte seine Zähne im Auge. „Leute wie das Stadtweib warten nur darauf, unsere Traditionen zu zertrampeln. Ein Mann wie ich hat nicht nur Freunde.“Er bückt sich leicht, als müsste er sich vor etwas verstecken, und kneift erneut die Augen zusammen. „Die Gegner lauern in allen Ecken und warten nur darauf, mich zu richten. Selbstverständlich fangen sie dabei bei meiner größten Errungenschaft an. Vor allem Irmgard.“Er klopft Ruprecht auf die Schulter. „Nichts für ungut, Ruprecht, aber deine Schwester konnte mich noch nie leiden.“
„Na ja“, sagt Ruprecht, „eigentlich mag sie dich erst seitdem Zeitpunkt nicht mehr, als du ihr Kaninchen geklaut hast, genauer gesagt seit ihrem vierzehnten Geburtstag.“
Nicht diese alte Leier, denke ich. Wir reden jetzt nicht über ein seit drei Jahrzehnten totes Karnickel. Aber wir tun es doch.
„Ich habe es konfisziert. Ein Amtmann klaut nicht“, antwortet der Blaschke Bürgermeister angefressen.
„Dann hättest du Erich wiederbringen oder seinen Wert ersetzen müssen“, entgegnet Ruprecht mit der nöligen Stimme, die er immer hat, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt.
Jetzt pumpt sich der Blaschke förmlich auf. „Im gesamten Thüringer Wald war der Kaninchenschnupfen ausgebrochen. Die Karnickel des Dorfes mussten evakuiert werden. Was meint ihr, wenn sich die Krankheit unkontrolliert verbreitet hätte? Das war eine Anordnung von oben. Abgesehen davon könnt ihr froh sein, dass ich euch damals aus dem Namen des Viechs keinen Strick gedreht habe. Der Rammler Erich. Das hätte denen von der Partei mit Sicherheit nicht gefallen.“
„Erich war nicht krank“, antwortet Ruprecht trotzig.
„War er doch“, widerspricht der Blaschke.
Ich hebe meinen Zeigefinger und versuche, wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen, auch wenn das nicht weniger bescheuert ist. Niemand scheint mich zu sehen. Ich frage mich jetzt nicht, wieso die beiden dann in meinem Schlafzimmer stehen, klettere aus dem Bett und gehe ins Bad. Nachdem ich zehn Minuten später so leidlich gewaschen und angezogen wieder zurückkomme, streiten sie gerade über die Frage, ob die Blaschke Ehefrau das Karnickel Erich mit Klößen und Rotkraut oder mit Rosenkohl serviert hat und wie viele der konfiszierten Tiere tatsächlich in Blaschkes Gefrierschrank gelandet sind.
„Irmgard hat gesehen, wie deine Frau den Erich in die Röhre geschoben hat“, faucht Ruprecht.
„Ach bitte, woran will sie den denn erkannt haben“, kreischt der Blaschke Bürgermeister. Er lacht affektiert.
„Irmgard hatte schon immer einen guten kriminalistischen Spürsinn“, blafft Ruprecht zurück.
„Deswegen wird sie auch unsere Dorfweihnacht verbieten lassen“, werfe ich mit unschuldigem Gesicht ein. Das schlägt ein wie eine Bombe.
„Wie meinst du das?“, fragt Ruprecht.
„Der weiß was“, ergänzt der Blaschke Bürgermeister wutentbrannt. „Spuck es aus, Märker, sonst setzt es was.“
Ich koche mir erst einmal in aller Ruhe einen Kaffee und tue, als wäre ich völlig allein.
Der Blaschke Bürgermeister springt förmlich im Kreis. „Ich habe es gewusst, ich hätte dich niemals mit Irmgard allein im Pfarrhaus lassen sollen. Wer weiß, was du ihr erzählt hast. Du hast den Nikolaus in Wirklichkeit nur gespielt, um dich wichtigzumachen. Um unser Dorf ging es dir dabei doch keine einzige Minute. Und jetzt bist du schuld, wenn hier alles den Bach runtergeht.“
Fortsetzung folgt