Protest mit über 100 Grablichtern
Gemeinde-Anwohner illuminieren an der Apfelstädt. Petition gegen Austrocknung des Flusslaufes wird übergeben
Apfelstädt. Rund 100 kleine Lichter, von den Organisatoren ganz bewusst Grablichter genannt, stellten Mitglieder und Sympathisanten der Bürgerinitiative „Lebensraum Apfelstädt“am Mittwochabend auf dem Wehr nahe der Wandersleber Straße im Gewerbegebiet der Ortschaft Apfelstädt der Landgemeinde Nesse-Apfelstädt auf.
Ein ähnliche Aktion gab es auch einige Kilometer weiter östlich an der Autobahnbrücke über die Landesstraße 1026 zwischen Wechmar und Schwabhausen. Dort wurde allerdings kein Wehr benötigt. Die Apfelstädt führt auch dort zurzeit sehr wenig Wasser. Man kann sogar über aus dem Fluss herausragende Steine problemlos von einem zum anderen Ufer gelangen.
Nur kurzfristige Information sollte Menschenmassen verhindern
Die Proteste, auch in dieser Form, wären womöglich wesentlich umfangreicher ausgefallen, meint Sven Dahmen (Freie Wählergruppe), Mitglied der Bürgerinitiative und zugleich Ortschaftsbürgermeister der Drei-Gleichen-Ortschaft Wandersleben, die ebenfalls an der Apfelstädtaue liegt. Doch man habe angesichts der Corona-Krise einen Menschenauflauf vermeiden wollen und deshalb absichtlich nur sehr kurzfristig über interne Kanäle über die Aktion informiert.
100 brennende Kerzenlichter an der einen und etwa 50 solche an der anderen Stelle aufzustellen, war dennoch kein Problem. Die Zuschauer und Akteure hielten genügend Abstand, trugen gegebenenfalls Mund-Nasen-Bedeckungen oder waren aus einem Haushalt, denn das Problem des dauerhaften Wassermangels der Apfelstädt beschäftigt oft ganze Familien.
Die Apfelstädt fällt in ihrem Lauf von Tambach-Dietharz bis nach Erfurt schon seit Jahren in niederschlagsarmen Sommern stellenweise trocken. Als Ursache werden Versickerungen im Karst-Gestein angegeben. Die vorgeschriebene Mindestabgabe aus den Talsperren Alte Tambacher, Schmalwasser und Ohra, ja selbst ein Überschreiten dieser Wasserzufuhr gleicht das nicht aus. Doch wenn wieder viel Regen gefallen sei, so Mitglieder der Initiative, habe sich die Durchflussmenge meist wieder stabilisieren können oder der Grundwasser-Spiegel wurde so angehoben, dass klares Wasser im Fluss zu sehen war.
In den letzten Jahren verstärkte sich durch die außergewöhnlich trockenen Sommer das Problem.
Doch seitdem im Frühjahr 2020 die Westring-Kaskade in Betrieb sei, habe sich die Lage deutlich verschärft, bestätigt Rico Heinemann, einer der Hauptinitiatoren, der selbst in Apfelstädt nahe des Flusses wohnt. Die Bürgerinitiative geht von über 600 Litern pro Sekunde aus, die dem Flusslauf über die Kaskade entzogen werden. Sie lässt zurzeit ein Gutachten dazu erstellen.
Die Westring-Kaskade ist ein umgesetztes Projekt der Thüringer Fernwasserversorgung. Einst führten zwei Fernwasser-Leitungen für Trinkwasser ins Erfurter Becken. Aufgrund der geringeren Wasserverluste seit der politischen Wende 1989/90 wurde eine nicht mehr benötigt. Sie verwendet man jetzt für Brauchwasser, um am Seeberg bei Gotha und in der Landeshauptstadt Strom zu erzeugen. Auch der Bewässerung der Obstanbaugebiete und der Bundesgartenschau soll das Wasser zugute kommen. Hauptverbraucher sei aber die Stromerzeugung
mit Laufwasser, meint Heinemann. Folge sei eine dauerhafte Absenkung des Grundwasserspiegels in der Apfelstädtaue. So bekomme der Mühlgraben kein Wasser mehr, wenn am Wehr kein Wasser über die Mauerkrone fließt.
Die Wurzeln der Bäume können nicht so schnell nachwachsen. Allein in der Gemarkung Nesse-Apfelstädt werden deshalb 56 Bäume gefällt. Der Bestand eines ganzen FFH-Schutzgebieters (Flora-FaunaHabitat) sei gefährdet. Das sei dann doch keine ökologische Stromerzeugung, sagte Heinemann kürzlich in einem Interview mit einem Erfurter Bürgerradio. Er war auch Mitglied der in Thüringen mitregierenden Partei Bündnis 90/Die Grünen und ist inzwischen ausgetreten.
Am Freitag, 11. Dezember, 15 Uhr, werden am Thüringer Landtag in Erfurt am Rande der Plenarsondersitzung gleich zwei Petitionen an Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) unter der üblichen Einhaltung
von Hygiene- und Abstandsregeln übergeben. Es sind eine Petition der Bürger mit 5382 Unterschriften und eine weitere, die einstimmig von den Gemeinderäten der Gemeinde Drei Gleichen und der Landgemeinde Nesse-Apfelstädt und mit großer Mehrheit vom Gothaer Kreistag beschlossen wurde. Gothas Landrat Onno Eckert (SPD) wird ebenfalls bei der Übergabe dabei sein.
Landtagsabgeordneter kritisiert spätes Handeln
Die Petition fordert im Kern, dass in den Sommermonaten ein Trockenfallen der Apfelstädt vermieden wird und hierzu die Ableitung über die Westring-Kaskade zugunsten der Apfelstädtaue reduziert wird.
Im November hatte bereits der Landtagsabgeordnete Jörg Kellner (CDU) kritisiert, dass der Landtag mit den Stimmen von Rot-Rot-Grün und AfD eine Debatte im Plenum zu diesem Thema abgelehnt habe. Begründet worden sei es damit, dass dass Umweltministerium an einer Lösung arbeite. Kellner weist seit eineinhalb Jahren das Umweltministerium mit kleinen Anfragen immer wieder auf die Problematik hin, erinnerte er.
In einem Bürgergespräch in Günthersleben-Wechmar, das vor Kurzem stattgefunden hat, kündigte die Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) an, durch die Ertüchtigung des eigentlich zum Rückbau vorgesehenen Speichers Wechmar Entlastung zu schaffen. Doch dessen Wasservorrat reiche nicht lange aus, sagten Teilnehmer des Bürgergespräches.