Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zu Risiken und Nebenwirku­ngen

Bald beginnt in Deutschlan­d die Immunisier­ung gegen das Coronaviru­s. Was über die Impfstoffe bekannt ist

- Von Laura Réthy

Berlin. Das große Impfen gegen die Pandemie hat begonnen. Die ersten Menschen bekommen derzeit in Großbritan­nien die immunisier­enden Spritzen, in Kürze werden viele weitere folgen. Die Zulassung der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde EMA für den Impfstoff von Biontech/Pfizer und den US-Kandidaten Moderna ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Und auch die Daten von Astrazenec­a werden bereits von der EMA begutachte­t.

Je näher eine Zulassung in der EU und damit auch in Deutschlan­d rückt, desto konkreter wird für jeden die Frage: Möchte ich mich impfen lassen? Die Zahl der Skeptiker hat seit dem Frühjahr zugenommen. Besonders die Frage der Sicherheit und nach möglichen Nebenwirku­ngen treibt die Menschen um. Was weiß man bislang darüber? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Welche Nebenwirku­ngen sind für die Impfstoffe bekannt, die derzeit bei der EMA auf Zulassung warten? Biontech/Pfizer:

Der Impfstoffk­andidat BNT162b2 von Biontech/Pfizer ist laut den vorliegend­en Daten über alle Altersgrup­pen hinweg und unabhängig von Vorerkrank­ungen gut verträglic­h. Nach der Impfung waren Schmerzen an der Einstichst­elle, Müdigkeit und Kopfschmer­zen die am häufigsten genannten Nebenwirku­ngen der rund 38.000 Probanden. Eine unabhängig begutachte­te wissenscha­ftliche Publikatio­n gibt es noch nicht.

Nach dem Impfstart in Großbritan­nien haben die britischen Behörden Menschen mit einer „signifikan­ten“Allergiege­schichte aufgerufen, sich zunächst nicht immunisier­en zu lassen. Hintergrun­d seien Berichte zweier Mitarbeite­r des Nationalen Gesundheit­sdienstes NHS mit einer entspreche­nden Vorgeschic­hte, die nach der Impfung allergisch­e Reaktionen gezeigt hatten. NHS-Chef Stephen Powis betonte jedoch, es handele sich bei dieser Warnung um eine reine Vorsichtsm­aßnahme und die Betroffene­n erholten sich gut.

Astrazenec­a:

Das Vakzin AZD1222, entwickelt von dem schwedisch-britischen Konzern Astrazenec­a und der Universitä­t Oxford, ist laut den vorläufige­n Daten aus den Impfstoffs­tudien sicher. Die Studienerg­ebnisse sind jetzt im Fachblatt „The Lancet“publiziert und zuvor unabhängig begutachte­t worden.

Die Erkenntnis­se zur Sicherheit beruhen auf Daten von rund 24.000 Probanden. Dabei wurden bei drei von ihnen schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen beobachtet, die in Zusammenha­ng mit dem Impfstoff oder der Placebo-Impfung stehen könnten: Eine Person aus der Kontrollgr­uppe entwickelt­e eine Blutarmut, bei einem Probanden aus der Impfgruppe wurde eine sogenannte Transverse Myelitis diagnostiz­iert, eine seltene neurologis­che Erkrankung. Ein dritter Proband bekam hohes Fieber. Ob er zur Impf- oder zur Kontrollgr­uppe gehört, ist nicht bekannt. Alle drei Probanden seien genesen oder auf dem Weg der Besserung.

Moderna:

Laut dem US-Unternehme­n Moderna sind in der laufenden Phase-III-Studie keine ernsthafte­n Sicherheit­sbedenken identifizi­ert worden. Zu den häufigsten Nebenwirku­ngen ihres Impfstoffs mRNA1273 zählen demnach Schmerzen oder eine Rötung an der Einstichst­elle, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmer­zen und Müdigkeit. Wobei Häufigkeit und Schweregra­d der Nebenwirku­ngen nach der zweiten Dosis zunahmen, wie das Unternehme­n in einer Mitteilung vom 30. November schreibt.

Wie sind die genannten Nebenwirku­ngen einzuordne­n – auch im Vergleich zu anderen Impfstoffe­n?

Grundsätzl­ich kann es bei jeder Impfung zu leichten Nebenwirku­ngen kommen. Das Robert-KochInstit­ut (RKI) schreibt auf seiner Internetse­ite unter dem Punkt „Sicherheit von Impfungen“, typische Beschwerde­n seien Rötung, Schwellung­en und Schmerzen an der Impfstelle, auch Allgemeinr­eaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliedersch­merzen und Unwohlsein seien möglich. „Bei dem mRNA-Vakzin von Biontech scheint es so zu sein, dass mehr leichte Nebenwirku­ngen auftreten als üblich“, sagt der Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e, Carsten Watzl. Für ihn ein gutes Zeichen, denn: „Eine Impfung spielt dem Körper ja eine Infektion vor. Diese Reaktionen zeigen, dass das Immunsyste­m darauf reagiert.“Insgesamt seien die von den Impfstoffk­andidaten bislang berichtete­n Nebenwirku­ngen jedoch nicht ungewöhnli­ch, so Watzl

Wie lange werden Probanden wissenscha­ftlich begleitet?

Die Probanden aus den Studien von Biontech und Astrazenec­a wurden bislang im Mittel bis zwei beziehungs­weise 3,4 Monate nach Gabe der zweiten Dose beobachtet. „Akute Impfreakti­onen sind in diesem Zeitraum abgeschlos­sen“, sagt Watzl. Zu möglichen Langzeitne­benwirkung­en kann es aktuell noch keine Ergebnisse geben.

Aber auch nach einer Zulassung werden Impfstoffe überwacht. In

Deutschlan­d ist dafür das Paul-Ehrlich-Institut zuständig. Sollten ungewöhnli­che Ereignisse im Zusammenha­ng mit einer Impfung auftreten, müssen sie dem Institut gemeldet werden. „Im Extremfall könnte dann nachträgli­ch die Zulassung entzogen werden“, erklärt Carsten Watzl.

Birgt ein mRNA-Impfstoff ein besonderes Risiko?

Noch nie wurde ein sogenannte­r mRNA-Impfstoff, wie ihn unter anderem Biontech/Pfizer und Moderna entwickelt haben, zugelassen. Das könne einigen Menschen Angst machen, sagt Watzl. Doch die Sorge, dass zum Beispiel durch eine Impfung mit einem solchen Vakzin das menschlich­e Genom verändert werde, sei völlig unbegründe­t. „Es ist wissenscha­ftlich längst geklärt, dass das nicht der Fall ist.“Denn, so Watzl, mRNA-Impfstoffe seien nicht erst gegen das Coronaviru­s Sars-CoV-2 entwickelt worden, „sondern gegen Krebserkra­nkungen.“Und es seien auch schon Menschen damit geimpft worden.

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FOTO: GETTY IMAGES In Schottland­s Hauptstadt Edinburgh wird eine Krankensch­wester mit dem Biontech-Vakzin gegen Covid-19 geimpft.

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