Eine ziemlich schwierige Affäre
Kontaktsperren, geschlossene Hotels – der Seitensprung hat es bei Corona schwer. Alibi-Agenturen profitieren
Berlin. Wen kann man noch treffen in diesen Tagen? Die Kinder, den Ehepartner – aber was ist, Pardon, mit der Geliebten oder dem Geliebten? Hotels sind geschlossen, Kneipen und Restaurants auch. Die verbotene Liebe hat es schwer in Zeiten von Lockdown.
Im Nachhinein erscheint es Robert (56), verheirateter Werbetexter aus Schleswig-Holstein, wie das Paradies. Jahrelang konnte er mit seiner Geliebten (47) ein Doppelleben führen. Und jetzt? Das letzte Treffen fand im September statt. Er hat Sehnsucht, seine Gabi – ebenfalls verheiratet – auch. Eine Trennung von ihren Partnern wollen sie nicht. Das gebe zu viel Kummer auf allen Seiten. Ihre Ehen, sie funktionierten ja. Nur die Liebe war irgendwo auf der Strecke geblieben. Dann hatte er sie wiedergefunden: die Gabi, seine Jugendliebe. Und sie trafen sich in Hotels. Mal in Hamburg, mal in Hannover, mal am Scharmützelsee. Erst einmal vorbei: Keine Hotels – und keine Ausreden!
Affären, da sind sich Psychologen einig, haben es schon seit März schwer. Weil dank Corona überall das Thema Überprüfung herrscht und Namen hinterlassen werden müssen – ob im Bistro, in der Bar oder im Restaurant. Überwachung aber ist Gift für Seitensprünge, denen man jedoch auch nicht einfach den Lockdown verordnen könne. In einer Umfrage gaben 30 Prozent von 2000 Befragten zu, die Kontaktbeschränkungen im Lockdown bezüglich ihrer Affären ignoriert zu haben. Weitere zehn Prozent beichteten sogar, erst im Lockdown auf die Idee eines Seitensprungs gekommen zu sein.
Wer eine Affäre anfangen oder sein Doppelleben nicht beenden will, braucht Ideen: „Wir hören jetzt von vielen, die das vorher ganz gut alleine hinbekommen haben“, sagt Stefan Eiben, Leiter der „Alibiagentur“. Aber nun seien sie auf Profis angewiesen. Seine Mitarbeiter hätten alle Hände voll zu tun. „Jetzt laufen die Alibis sehr häufig über das große Thema Homeoffice.“Und damit meint er: Einladungen zu Homeoffice-Schulungen in extra angemieteten Räumen in Hallen unter extremer Einhaltung der Hygieneregeln. Es werden Webseiten kreiert, Newsletter verschickt, Weisungen von Chefs – alles getrickst, ausgedacht und gefälscht. Dass das glaubwürdig rüberkommt, dafür zahlen die Kunden einige Hundert Euro und manchmal noch mehr. Je nachdem, wie sehr die Agentur in die Trickkiste greifen muss.
Gefälschte Pokale oder Schauspieler im Einsatz
Weil während Corona ja Aktivitäten draußen möglich seien, sei dieses Alibi schon ein Renner: eine Einladung zur „Geotagging-Tour“. Falls die Ehefrau, der Ehemann daheim skeptisch wird? „Notfalls haben wir denen dann einen schönen Pokal mit den Daten anfertigen lassen.“Zum Vorzeigen und Bewundernlassen.
Der Fantasie sind in Sachen Alibi keine Grenzen gesetzt. Sogar ein (gefälschter) positiver Corona-Test irgendwo an einem Ort, wo sich die betreffende Person gerade befinde, könne ausgestellt werden – und eröffne über die Quarantäne neue Chancen für ein Treffen mit der Dame des Herzens. Natürlich braucht die Geliebte auch noch ein Alibi. Oder praktische Hilfe. Nicht selten stellten sich Fragen wie: Was mache ich mit dem Hund? Lösungsvorschlag: Schauspieler, die Fiffi übernehmen und so überzeugend echt wie Frauchen aussehen. Die Nachbarn merkten nichts. Nur der Hund müsse natürlich vorher an den Ersatz gewöhnt werden.
Eiben ist seit 20 Jahren Alibi-Verschaffer. Er lässt fälschen und betrügen, von Berufs wegen. Ein schlechtes Gewissen habe er nie gehabt. Für ihn fällt so etwas unter den Begriff „der persönlichen Freiheit seiner Kunden“. Zwar müsse jedes Alibi individuell erarbeitet werden, aber einen Universaltipp hat er: „Aktuell empfehlen wir, dauerhaft ein möbliertes Zimmer zu mieten.“