Zur Person
LESERBRIEFE
Zum Interview „Wir haben gelernt“(12.6., S. 2):
Thüringen ist das Land mit dem höchsten Anlagevolumen von Steuergeld bei der Greensill-bank. Kein anderes Bundesland hat Geld angelegt, ansonsten nur Städte und Kommunen. Die Pleite der Bank hat auch wieder einmal was mit der Bafin zu tun. Die hat zwar eingegriffen, aber leider zu spät. Luftbuchungen von Forderungen führten letztendlich zum Desaster. Der Direktor der Bafin weist jede Schuld von sich und meint, jeder Kämmerer hätte beim Blick in die Bilanzen sehen können, dass da etwas nicht stimmen kann. Allein die Zinsversprechen hätten hellhörig machen müssen. Was sitzen da eigentlich für Leute in den Ämtern? Gibt es nicht so etwas wie eine Sorgfaltspflicht? Harald Wieprecht, Sömmerda
Zum Beitrag „Mehrheit für Neuwahl“(17.6., S. 1):
Anscheinend ist die größte Hürde gegen eine Neuwahl in Thüringen genommen, in dem sich Linke, CDU, SPD, Grüne und FDP darauf verständigt haben, das finde ich gut und richtig. Ich vermisse aber leider die Stimmen der AFD, die wird vehement von den sich besser Vorkommenden verleugnet. Wenn ich so mal in der Vergangenheit schaue, war nach der Wende 1990 die PDS als Vorgängerpartei der Linken auch mehr als ein rotes Tuch für viele und wurde auch abgelehnt. Aber so können sich im Laufe der Zeit die Ansichten ändern, wenn nur ein Bodo Ramelow sich der Linken annimmt. Ich persönlich finde, man kann den Wähler nur überzeugen und für sich gewinnen, wenn man den Volkswillen achtet und der AFD den Zulauf abbremst.
Heinz Bock, Erfurt
Rentner sind keine Schmarotzer (Reaktionen auf einen Leserbrief): Als ich den Leserbrief von Ronald Krause (17.6., S. 6) las, musste ich kurz zum Kalender schauen, ob der 1. April ist. Aber im Ernst: Ich persönlich freue mich für jeden, der sich im Rentenalter fit genug fühlt, noch etwas zu arbeiten, und kann das auch gut verstehen. Aber Herr Krause irrt, wenn er glaubt, ein
Rentner lebe auf Staatskosten. Das „Geheimnis“ist das Solidarprinzip: Die Jungen, die erwerbstätig sind, zahlen die Beiträge für die Älteren, die erwerbstätig waren. Dieses Verfahren würde perfekt funktionieren, wenn alle Bürger gleichermaßen in die Rentenkasse einzahlen würden. Also bitte: Wer in der Regel über 40 Jahre lang berufstätig war (und während seiner Berufstätigkeit die Renten der derzeitigen Rentner finanziert hat), hat sich seinen Ruhestand verdient, erarbeitet und ist kein Schmarotzer, der ins Arbeitslager gehört.
Sylvia Degenhardt, Lengefeld
Ein Rentner lebt nicht auf Staatskosten. Wenn man das Rentenalter erreicht, hat man mindestens 45 Jahre und mehr in die Rentenkasse eingezahlt. Ich selbst bin jetzt 63 Jahre und mit 10,8 Prozent Abzügen in Rente gegangen. Ich habe 47 Jahre gearbeitet. Die Abzüge nach diesen Arbeitsjahren sind eigentlich ein Unding.
Marion Lauterbach Erfurt
Man lebt nicht vom Staat, wenn man Rente bezieht. Das, was man an Rente erhält, hat man selbst erarbeitet. Es gibt sicher auch Menschen, die sich ihre Rente von anderen finanzieren lassen, etwa Rentenversicherungen, die andere bezahlt haben. Alte Menschen schmarotzen auch nicht am Geldbeutel der Jungen. Sie haben schließlich mal gearbeitet, um überhaupt Rente zu bekommen. Es sei denn, sie haben ihr Leben vom Staat finanzieren lassen. Wenn der Leser zweimal seine Arbeit als Rentner verloren hat, sollte er mal nachdenken warum. Er muss nicht mehr arbeiten, der Job sollte für Jüngere sein, die noch ihre Rente verdienen müssen. Angelika Geiler, Mühlhausen
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Berlin. Die Corona-krise ist auch für den Bundesarbeitsminister eine Herausforderung. Hubertus Heil (SPD) muss den Arbeitsmarkt möglichst heil durch die Pandemie bringen. Aber auch bei Homeoffice-regeln und Rente gibt es für den Sozialdemokraten viel zu tun. Wir trafen ihn zum Interview.
Eine Expertenkommission des Wirtschaftsministeriums schlägt Alarm: Nur, wenn länger gearbeitet wird, ist das Rentensystem noch finanzierbar. Wann werden Jüngere bis 68 arbeiten müssen?
Hubertus Heil: Das ist der falsche Weg und mit mir wird es das auch nicht geben. Ein Bauarbeiter, der mit 16 in die Ausbildung kommt, müsste ein halbes Jahrhundert plus zwei Jahre arbeiten, bis er in Rente gehen darf. Das geht in vielen Berufen nicht. Die Lebensarbeitszeit ist bereits verlängert worden. Wir haben eines der höchsten Renteneintrittsalter in Europa. Wenn wir das Rentensystem stabil halten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass viele Leute in Arbeit sind und anständige Löhne bekommen.
Wir leben zwar immer länger, aber wir arbeiten nicht länger?
Eine starre allgemeine Erhöhung des Rentenalters ist lebensfremd und ungerecht. Einige Unternehmen
setzen ja teilweise sogar auf großzügigere Vorruhestandsregeln, damit Firmen älteres Personal abbauen können. Ich bin für flexible Übergänge in den Ruhestand, etwa nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge. Das Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Erwerbsleben gesund bleiben und durch Weiterbildung auch nicht den Anschluss verlieren.
Funktioniert dann noch die Grundregel, dass die Jüngeren für die Älteren zahlen?
Ja, so funktioniert das Umlagesystem, und es ist viel stabiler, als oft behauptet wird. Richtig ist, dass zwischen 2025 und 2040 geburtenstarke Jahrgänge in Rente kommen. Aber wir können die Rente stabil halten, wenn möglichst viele Menschen im erwerbsfähigen Alter in Arbeit sind und es eine anständige Lohnentwicklung gibt. Das heißt, die Sicherheit der Rente entscheidet sich maßgeblich am Arbeitsmarkt. So können wir Sicherheit im Alter für alle Generationen organisieren. Dagegen geht eine weitere Erhöhung des Rentenalters klar zulasten der Jüngeren. Sie betrifft ja nicht die Rentnerinnen und Rentner von heute. Wer sagt, ein höheres Rentenalter befreie die Jungen von finanziellen Lasten, der verschweigt, dass die Jungen dadurch noch länger arbeiten müssen.
Ihre Partei will, dass für die Stabilisierung des Systems auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen sollen. Wann soll das kommen?
Eine Lehre aus der Pandemie ist, dass wir vor allem Soloselbstständige besser absichern müssen, nicht nur bei der Rente. Das gilt etwa auch, wenn sie plötzlich den Job verlieren. Wir brauchen eine Art Sicherungsgeld für Soloselbstständige, das über die Bundesagentur für Arbeit organisiert wird, ähnlich wie das Arbeitslosengeld. Auch bei der Altersabsicherung muss sich etwas ändern. Das ist ein Vorhaben für die nächste Legislatur.
Ab wann sollen auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen? Das bedeutet ja, das Pensionssystem abzuschaffen.
Generell finde ich es richtig, darüber nachzudenken, im Laufe der Zeit alle in einer Erwerbstätigenversicherung zu vereinen. Wenn das beschlossen werden sollte, wird es aber in sehr langen Übergangsfristen ablaufen.
Bei Corona gehen die Inzidenzen zwar zurück, aber es droht die Verbreitung des aggressiveren Deltavirus. Wie müssen Arbeitnehmer davor geschützt werden?
Der Spd-politiker Hubertus Heil ist seit März 2018 Bundesminister für Arbeit und Soziales in der großen Koalition. Der 48jährige gebürtige Hildesheimer hat Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Er war vor seiner Zeit als Minister zwei Mal Spd-generalsekretär sowie zwei Mal Vizefraktionschef im Bundestag. Heil ist seit 1988 Mitglied der SPD und sitzt seit 1998 als Direktkandidat für den Wahlkreis Gifhorn-peine im Bundestag. Heil ist verheiratet und hat zwei Kinder. ape
Die sinkenden Inzidenzen sind erfreulich. Daran haben auch die Arbeitsschutzregelungen der letzten Monate einen Anteil. Aber wir müssen wachsam sein. Deswegen werden wir nächste Woche im Kabinett einige der Regeln über den Sommer hinaus verlängern. Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern also weiterhin Tests anbieten, auch Abstandsregeln und Maskenpflicht bleiben vielfach in Kraft. Aber es gibt Lockerungen, etwa bei den Quadratmeterbegrenzungen.
Und die Homeoffice-pflicht?
Sie gehört nicht dazu und läuft zum 30. Juni aus. Die Pflicht, Homeoffice anzubieten oder zu nutzen, ist im Sommer in dieser Schärfe nicht mehr aufrechtzuerhalten. Viele Beschäftigte haben auch Lust, ihre Kollegen endlich mal wiederzusehen. Sollte sich wider Erwarten die Pandemie aber wieder verschlimmern, können wir kurzfristig wieder solche Regeln in Kraft setzen.
Welche Homeoffice-lehren ziehen Sie aus der Pandemie?
Viele Menschen wollen zumindest ein paar Tage im Monat die Möglichkeit nutzen, im Homeoffice zu arbeiten. Dafür will ich den Beschäftigten, bei denen das betrieblich möglich ist, rechtlich den Rücken stärken. Es geht mir nicht um Zwang, sondern um Freiwilligkeit. Gleichzeitig darf das nicht zur Entgrenzung der Arbeit im Privatleben führen. Auch im Homeoffice muss mal Feierabend sein.
Wird es vor der Wahl noch ein Gesetz zum Homeoffice geben?
Mit der CDU nicht. Sie lebt bei der Arbeitswelt noch in der Vergangenheit. Dabei ist mein Gesetzentwurf für mobiles Arbeiten fertig.
„Auch im Homeoffice muss mal Feierabend sein.“Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister