Überall fehlt Personal
Viele Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe haben sich in Thüringen umorientiert
Bad Tabarz/Jena/Erfurt. „Am Burgholz“ist wieder Bewegung. Seit Dienstag hat Mario Peschke in Bad Tabarz sein zweites Hotel geöffnet. „Zur Post“war auch während des mehr als siebenmonatigen Lockdowns nie komplett geschlossen – Geschäftsreisende konnten einchecken. Viele haben die Möglichkeit nicht wahrgenommen und von einem Ansturm kann auch jetzt keine Rede sein. „Für die kommenden Wochen liegt die Auslastung etwa bei 40 Prozent“, sagt Peschke. „Thüringen ist ja relativ spät wieder gestartet, wir haben so den ersten Buchungs-Run verpasst.“
Weil das Gastgewerbe im Herbst als Erstes seine Türen schließen musste und kürzlich als Letztes wieder öffnen durfte, haben sich unter anderem Köche und Restaurantfachleute andere Jobs gesucht. Vor allem der Handel und LogistikUnternehmen haben dabei Abwerbung betrieben, stellt Dirk Ellinger fest, Thüringer Hauptgeschäftsführer des Hotel-und Gaststättenverbandes. Geregelte Arbeitszeiten und freie Wochenenden hätten gelockt. Ein Grund für die Abwanderung sei zudem die Kurzarbeit mit fehlendem Trinkgeld gewesen. Doch er räumt auch ein, dass die Bezahlung ein Thema ist.
Mario Peschke wird deutlich: „Mit dem Mindestlohn findet man keine Servicekraft oder keinen Koch, die eine Ausbildung hinter sich haben. Das wäre auch nicht gerechtfertigt.“Leistung müsse anständig bezahlt werden.
Jens Löbel, Thüringen-Chef der Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten, kennt genug Beispiele, bei denen Inhaber und Betreiber tarifliche Absprachen umgehen und Niedriglöhne zahlen. Dabei benötigt die Branche dringend Personal.
Dirk Ellinger spricht von einer „dramatischen Lage“und fordert: „Wir müssen Auszubildende gewinnen.“Doch die Gewerkschaft entgegnet, dass junge Leute in anderen Branchen oft bessere Verdienstchancen haben und mehr Anerkennung erfahren. Mario Peschke hat in den letzten Monaten nur drei seiner 65 Mitarbeiter verloren. Zur Wertschätzung gehöre dabei auch ein anständiger Arbeitsvertrag. Der ist nicht überall üblich.
So liegt dieser Zeitung ein Vertrag für ein Restaurant in Erfurt vor, in dem trotz Tarifbindung als StundenBetrag 4,20 Euro aufgeführt sind. Konfrontiert damit, verweist das Unternehmen Block House darauf, dass „wir allen Servicekräften den Mindestlohn garantieren.“Der Lohn setze sich zusammen aus einem Basisstundenlohn von 4,20
Euro plus einer persönlichen Umsatzbeteiligung von drei Prozent. Sprecherin Christina Schreiner aus der Zentrale in Hamburg sagt, dass mit diesem Modell die Arbeitnehmer „im Regelfall einen Gesamtstundenlohn erzielen, der deutlich oberhalb des Mindestlohns liegt. Darüber hinaus zahlen wir Sonnund Feiertagszuschläge und vergüten die Pausenzeiten unserer Mitarbeiter.“Und ergänzt, dass das
Kurzarbeitergeld aufgestockt worden sei. Zugleich gibt sie zu, dass die jetzige Variante der Arbeitsverträge „unglücklich“sei.
Michaela Jahn, die das Hotel und Restaurant „Zur Noll“in Jena leitet, hat sechs Angestellte verloren, „obwohl wir mehr als Mindestlohn zahlen“. Der Verlust wirke sich aktuell auf das Speisen-Angebot aus.
Mario Peschke überlegt derweil, ob es unbedingt sein muss, dass die Hotelzimmer täglich gereinigt werden – „auch sonntags?“Es müsse insgesamt ein Umdenken in der Branche einsetzen, fordert er. Michaela Jahn pflichtet ihm bei, sagt aber auch, dass das angesichts des Images und Personalmangels schon geschehe. Doch das Umdenken dürfe auch vor dem Gast nicht haltmachen. Ein Schnitzel für fünf Euro dürfe es nicht geben.