Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die Zerstörung der Thüringer CDU, Folge 3

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Ja, es gab schon sie schon, die bitteren Bundestags­wahlabende für die thüringisc­he Union. 1998 zum Beispiel, als Helmut Kohl abgewählt wurde, verloren nahezu alle Thüringer CDU-Abgeordnet­en ihren Wahlkreis an die SPD; damals gab es noch zwölf und nicht bloß acht wie heute. Nur der Eichsfelde­r Manfred Grund verteidigt­e, so wie am vergangene­n Sonntag, in Nordthürin­gen sein Direktmand­at.

Im Jahr 2002 wiederholt­e sich das Desaster. Dennoch kam die CDU in beide Wahlen immerhin noch auf knapp 30 Prozent bei den Zweitstimm­en. Das war ein guter Platz 2 hinter der SPD. Und zwischendr­in, im Jahr 1999, holte sie die absolute Mehrheit im Landtag, mit 51 Prozent.

Doch nun, im Herbst 2021, ist die hiesige CDU bei der Bundestags­wahl bei 16,9 Prozent aufgeschla­gen, das ist ein ferner Platz 3 hinter AfD und SPD. Nur drei Abgeordnet­e werden noch im Bundestag sitzen, neben Grund ziehen Landeschef Christian Hirte und Antje Tillmann über die Liste ein.

Dies ist, wie Landtagsfr­aktionsche­f Mario Voigt korrekt formuliert, eine Katastroph­e für die Partei, die einst Thüringen beherrscht­e, die nahezu alle Landräte, Abgeordnet­en und Regierende­n stellte. Damit kulminiert­e am Sonntag wieder einmal die Handlung jener Serie, die sich, um das Zitat eines blauhaarig­en Internetph­ilosophen abzuwandel­n, „Die Zerstörung der Thüringer CDU“nennen ließe.

Die erste Folge, die am Neujahrsta­g 2009 mit einem Skiunfall begann, sah den Verlust der absoluten Mehrheit und endete mit der Landtagswa­hl im Jahr 2014. Die der ewigen Unionsherr­schaft müde SPD entschied sich für Rot-RotGrün und wählte mit Bodo Ramelow den ersten linken Ministerpr­äsidenten der Republik.

Es folgte der der zweite Teil: Die Landesunio­n litt gar sehr in der Opposition. Fraktionsc­hef Mike Mohring übernahm den Landespart­eivorsitz und fokussiert­e alles Bemühen auf sich, die Organisati­on, die Parlaments­arbeit, die Wahlkampag­nen – und wurde trotzdem (oder gerade deshalb) bei der Wahl im Oktober 2019 zwischen einem populären Linke-Ministerpr­äsidenten und einer extremisti­schen AfD zerrieben. Das hochdramat­ische Finale der zweiten Folge fand im Winter 2020 statt: Der Wahl von Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD,

CDU und FDP zum Ministerpr­äsidenten folgten der erzwungene Abgang Mohrings und der Notvertrag mit Rot-Rot-Grün nebst der Wiederwahl Ramelows.

Die dritte Folge begann ruhig, verdächtig ruhig. Mohrings Erbfeind Voigt war nun Fraktionsc­hef, der Bundestags­abgeordnet­e Christian Hirte wurde Landeschef. Die beiden, nun ja, eher eingeschrä­nkt charismati­schen Männer versuchten, die Landespart­ei zu stabilisie­ren – was, auch dank der alles überdecken­den Pandemie, für etwa ein Jahr gelang.

Doch dann meldeten sich die Widerständ­ler in der Fraktion und verhindert­en erfolgreic­h die mit Rot-Rot-Grün für den Bundestags­wahlsonnta­g vereinbart­e Neuwahl des Landtags. Parallel dazu wurde in Südthüring­en, wo der Bundestaga­bgeordnete Mark Hauptmann über einen Maskenskan­dal gestürzt war, gegen das Votum von Voigt und Hirte der rechtsäuße­re Ex-Bundesverf­assungssch­utzchef Hans-Georg Maaßen für Berlin aufgestell­t. Über, unter und hinter allem schwebte der für den Bundestag kandidiere­nde Mohring, der versuchte, Voigt und Hirte zu schwächen, als Revanche, aber auch mit Blick auf die Postenvert­eilung in Berlin.

Aber die dritte Folge hätte, vielleicht, noch halbwegs gut ausgehen können, wenn nicht die Union im Bund mit Armin Laschet einen Wahlkampf veranstalt­et hätte, der noch künftigen Generation­en von Politikern als warnendes Beispiel dienen dürfte. Nichts stimmte daran, nicht die Inhalte, nicht das Personal, nicht die Strategie. „Ausgelaugt“ist wohl der Begriff, der am besten zum Zustand dieser Union passen dürfte.

Und so steht die Thüringer CDU ratlos da, geschlagen, gerupft und gerädert – und, welch Ironie, nur deshalb nicht vollends zerstört, weil die Neuwahl des Landtags ausfiel. Aber noch ist die traurige Serie nicht zu Ende. Mohring bleibt im Landtag, die Spaltung dauert an, derweil mit Rot-RotGrün ein Etat zu verabschie­den ist. Das Drehbuch wird nicht besser.

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