Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Das Ganze ist ja kein Selbstzwec­k“

Was bringt junge Menschen dazu, zur Bundeswehr zu gehen? Das erklärt Moritz im Interview

- Von Hannah Lettl, funky-Jugendrepo­rterin

Moritz ist bereits seitdem er 17 ist bei der Bundeswehr. Vor drei Jahren begann er seine militärisc­he Ausbildung und sein Studium an einer Bundeswehr­universitä­t und ist bis 2031 verpflicht­et. Im Interview spricht er unter anderem über die Beweggründ­e, zur Bundeswehr zu gehen, wie er über psychotrau­matische Störungen denkt und das Thema Rechtsextr­emismus in der Bundeswehr.

In welcher Abteilung bist du und was sind dort deine Aufgaben?

Die Bundeswehr ist unterteilt in Heer, Luftwaffe, Marine und die Sanitäter. Ich bin in der Offiziersl­aufbahn beim Heer in der Jägertrupp­e. Das ist die leichte Infanterie und damit Teil der Kampftrupp­e. Dort werden wir vor allem für den Häuserkamp­f und den Waldkampf ausgebilde­t, aber momentan mache ich ein Wirtschaft­sstudium an einer Bundeswehr­universitä­t. Mit dem Studium möchte ich mir eine weitere berufliche Perspektiv­e schaffen, denn man ist ja wahrschein­lich nicht ewig bei der Bundeswehr. Natürlich kann man auch Berufssold­at werden, aber ich bin erst mal die 13 Jahre verpflicht­et.

Wenn du jetzt sagst, du bist noch im Studium, bist du dann auch zeitgleich noch im Training?

Wir studieren in Trimestern, das heißt, wir haben drei Prüfungsph­asen im Jahr statt zwei wie an normalen Unis. Den Sommer haben wir meistens frei, um Praktika zu machen. Aber sonst müssen wir auch im Studium unsere militärisc­hen Leistungen erbringen: Man muss einmal im Jahr schießen gehen, man muss marschiere­n oder schwimmen gehen. Die Hauptsache ist aber, das Studium gut zu bestehen.

Wie sieht dein Alltag als Student und Bundeswehr­soldat aus? Während der Unizeit habe ich unter der Woche ganz normal meine Vorlesunge­n. Je nachdem, wie mein Vorlesungs­plan ist, mache ich erst

Sport oder besuche Vorlesunge­n, dann koche ich zwischendu­rch etwas. Mittwochs haben wir meistens nachmittag­s den militärisc­hen Mittwoch, wo wir unsere militärisc­hen Leistungen absolviere­n. Da gehen wir marschiere­n, schießen oder widmen uns anderen Aktivitäte­n. Nach der Unizeit geht es dann wieder in die militärisc­hen Lehrgänge, wo man zum Zugführer ausgebilde­t wird. Und nach ein paar Jahren geht man dann als voll ausgebilde­ter Offizier in die Truppe.

Warum hast du dich entschiede­n, zur Bundeswehr zu gehen?

Ich bin schon mit 17 zur Bundeswehr gegangen, weil ich ziemlich früh mein Abitur hatte. Ich wollte ein duales Studium, bei dem ich mich selber herausford­ern kann. Was auch wichtig ist: Das Ganze ist ja kein Selbstzwec­k. Mir war es wichtig, auch schon in jungen Jahren Verantwort­ung zu übernehmen, und dafür war und ist die Bundeswehr prädestini­ert.

Du hast dich für 13 Jahre verpflicht­et. Hast du Angst davor, in einen Auslandsei­nsatz geschickt zu werden?

Im Idealfall sollte einem das klar sein, wenn man die Verpflicht­ung unterschre­ibt. Man trainiert die ganze Zeit ja zielgerich­tet darauf hin, damit man dann dazu bereit ist, und wer das nicht ist, hat den falschen Beruf gewählt. Auslandsei­nsätze sind das, wofür wir im Endeffekt da sind.

Wovor hast du am meisten Angst bezüglich deines Berufs?

Am meisten Respekt habe ich davor, aus einem Einsatz wiederzuko­mmen und psychische Probleme zu haben, zum Beispiel eine Posttrauma­tische Belastungs­störung. Das sind Verwundung­en, die man den

Leuten nicht ansieht, aber die es doch recht häufig gibt. Klar, natürlich möchte man auch nicht physisch verwundet werden, aber bei den psychische­n Erkrankung­en hat man selbst kaum Einfluss. Einfach als komplett anderer Mensch wiederzuko­mmen, davor habe ich am meisten Respekt.

Die EU garantiert jetzt seit mehr als 70 Jahren Frieden. Warum braucht Deutschlan­d dann noch eine Armee?

Eine Armee braucht es deswegen, weil nicht jedes Land und jede Gruppierun­g unseren demokratis­chen Werten gegenüber freundlich gesonnen ist. Zu denken, dass wir, nur weil wir schon lange im Frieden leben, weiter in Frieden leben werden, ist für mich ein bisschen naiv.

Hast du Erfahrunge­n mit Rechtsextr­emismus in der Bundeswehr gemacht?

In der Bundeswehr kommt man durch die ganzen Lehrgänge und Versetzung­en gut herum und man lernt sehr viele Menschen kennen. Ich habe schon Hunderte Menschen

in der Bundeswehr kennengele­rnt und da war bis jetzt kein Einziger dabei, der eine Meinung hatte, die nicht mit beiden Beinen auf dem Grundgeset­z steht. Alle Bewerberin­nen und Bewerber werden doppelt und dreifach gecheckt, ob es da zweifelhaf­te Hintergrün­de gibt. Ich selbst habe aber noch nie jemanden kennengele­rnt, der so eine Meinung vertritt, und im Endeffekt korreliert das ja auch gar nicht mit den Werten, die wir verteidige­n. Wir verteidige­n die Freiheit des deutschen Volkes und die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng. Das ist ja überhaupt nicht das, was Rechtsextr­eme wollen, und deswegen passt das von den Werten überhaupt nicht bei uns rein. Wenn ich aber selbst jemanden erwischen würde, der entspreche­ndes Gedankengu­t vertritt, würde ich das nicht tolerieren. Da ist auch keine falsch verstanden­e Kameradsch­aft angesagt, sondern so was muss direkt bei dem Vorgesetzt­en gemeldet werden.

Der Militärisc­he Abschirmdi­enst hat neue Dimensione­n von Rechtsextr­emismus gefunden und eine Kompanie des Kommandos Spezialkrä­fte (KSK) wurde bereits aufgelöst. Würdest du dazu auch sagen, das sind Einzelfäll­e, oder muss man von einem Strukturpr­oblem sprechen?

Das Problem beim KSK ist, dass die so geheim und abgekoppel­t von der restlichen Bundeswehr agieren. Das ist dann vielleicht ein bisschen zu autonom. Da lag vielleicht das Problem, warum sich da so viel in diese Richtung entwickelt hat. Ich bin in der Begriffsde­finition nicht so drin, ab wann etwas ein Netzwerk ist, aber ich würde schon eher von Einzelfäll­en sprechen.

„Als komplett anderer Mensch wiederzuko­mmen, davor habe ich am meisten Respekt.“Moritz,

Die gesellscha­ftliche Wahrnehmun­g der Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren verschlech­tert. Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Ja, wir haben keinen guten Stand in der Gesellscha­ft. Wir opfern teilweise unser Familienle­ben dafür, dass wir den Dienst für das Land verrichten, und da würden sich viele Soldaten mehr Respekt wünschen.

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FOTO: HUETTENHOE­LSCHER Für viele junge Menschen ist es der Wunsch nach Verantwort­ung, der sie zur Bundeswehr bringt.

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