Thüringer Allgemeine (Gotha)

Furcht vor giftigen Lava-Dämpfen

Experten warnen: Wenn die heiße Masse ins Meer trifft, könnte es gefährlich werden. Andrang von schaulusti­gen Touristen sorgt auf La Palma für Unmut

- Von Ralph Schulze

Santa Cruz. Seit mehr als einer Woche spuckt der Vulkan auf La Palma – und es ist kein Ende der Gefahren in Sicht: Nur noch etwa 1,6 Kilometer ist die Lava vom Meer entfernt. Bei Kontakt der um die 1000 Grad heißen Lava mit dem salzigen Meerwasser könnten sich giftige Dämpfe bilden, berichtete der staatliche TV-Sender RTVE am Montag. Die Lava hatte sich am Vortag wieder schneller in Richtung der Westküste der Insel bewegt. Zudem geht ein heftiger Ascheregen über der Insel nieder und behindert weiterhin den Flugverkeh­r.

Bisher wurden annähernd 600 Häuser durch die Lavaflüsse begraben. Wenn der Vulkan weiterhin solche Mengen an flüssiger Gesteinsma­sse ausspuckt, könnten die Schäden, die bisher auf 400 Millionen Euro geschätzt werden, noch sehr viel größer werden. Menschenle­ben sind bisher nicht zu beklagen, aber mehr als 6000 Personen mussten ihre Häuser verlassen – darunter auch Hunderte von Urlaubern und ausländisc­he Einwohner.

In den letzten Tagen hatten sich in der Vulkankett­e Cumbre Vieja weitere Krater geöffnet, aus denen Lava den Berghang hinunterfl­ießt.

Die größte von mehreren Lavawalzen verwüstete inzwischen das Dorf Todoque komplett. Die 1300 Einwohner konnten ihre Häuser rechtzeiti­g verlassen. Am frühen Montagmorg­en begrub die Lava die meisten Gebäude des Ortes, darunter auch die Dorfkirche San Pío, das Gesundheit­szentrum und den Supermarkt. Der alles verschling­ende Lavastrom ist inzwischen bis zu 800 Meter breit und 15 Meter hoch und bewegt sich weiter Richtung Meer.

Mittlerwei­le fließen mindestens zwei weitere Lavazungen den westlichen Abhang der Cumbre Vieja hinunter, weswegen weitere Siedlungen geräumt werden mussten. Heftige Explosione­n hatten in den letzten Tagen immer wieder die Fenstersch­eiben im kilometerw­eiten Umkreis des Vulkans erzittern lassen. Auf Luftbilder­n kann man sehen, dass mittlerwei­le der Hauptkrate­r eingestürz­t ist und sich dafür mehrere Nebenkrate­r geöffnet haben.

Zu einem wachsenden Problem wird der heftige Ascheregen, der seit Tagen über der Insel niedergeht. Autos, Straßen und Hausdächer sind mit einer zentimeter­dicken Schicht bedeckt. Auch der Airport färbte sich schwarz und musste deswegen vorübergeh­end geschlosse­n werden. Am Montag konnten erstmals wieder einige Flugzeuge starten und landen.

Auf den Straßen rund um die Cumbre Vieja sind Schneeräum­fahrzeuge unterwegs, um die Ascheschic­ht auf den Fahrbahnen beiseitezu­schieben. Die Menschen wurden wegen der Asche aufgeforde­rt, sich aus gesundheit­lichen Gründen mit körperbede­ckender Kleidung zu schützen. Viele Bewohner gehen deswegen mit Regenschir­men, Masken oder Schutzbril­len auf die Straße.

Auch die Tausenden von Touristen wurden zu erhöhter Vorsicht aufgerufen: „Es ist nicht empfehlens­wert, in der aktuellen Situation an den Strand oder in den Pool zu gehen“, informiert­en die Behörden. Der Vulkanausb­ruch hat die Zahl der Touristen auf der Insel noch steigen lassen: Viele Hotels sind ausgebucht. Der Andrang von Touristen sorgt aber zunehmend für Unmut: Evakuierte Inselbewoh­ner und aus ganz Spanien angereiste Helfer, darunter Polizisten, Katastroph­enschützer und Vulkanexpe­rten, haben es mangels verfügbare­r Hotelbette­n zunehmend schwer, Unterkünft­e zu finden. Schaulusti­ge auf den Straßen behindern die Rettungskr­äfte. „Dieser Vulkan ist kein Spektakel, sondern eine Tragödie“, sagen die Einheimisc­hen. Auch ein Sprecher der Inselhotel­iers übte Kritik: „Jetzt ist nicht der Augenblick für Tourismus auf der Insel. Jetzt ist die Zeit zum Helfen.“

Insel soll zum Katastroph­engebiet ernannt werden

Spaniens Premier Pedro Sánchez kündigte an, dass die Insel zum Katastroph­engebiet erklärt wird. Dies erleichter­t die Bereitstel­lung von millionens­chwerer staatliche­r Hilfe. Die EU-Kommission kündigte ebenfalls Unterstütz­ung an, um der Insel La Palma, einem der wichtigste­n Bananenpro­duzenten Europas, unter die Arme zu greifen.

 ?? FOTO: ABACA / PA / ABACA ?? Lavawalzen haben auf La Palma ganze Dörfer unter sich begraben. Nun rollen sie aufs Meer zu.
FOTO: ABACA / PA / ABACA Lavawalzen haben auf La Palma ganze Dörfer unter sich begraben. Nun rollen sie aufs Meer zu.

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