Thüringer Allgemeine (Gotha)

Spiel mit Albtraum und Trauma

Thüringer Regisseur Michael Venus stellt Filmdebüt „Schlaf“nochmals in Erfurt vor

- Von Ulrike Kern

Weimar. Wer an Horrorfilm­e denkt, denkt wahrschein­lich nicht unbedingt an Produktion­en aus und in Deutschlan­d, schließlic­h gibt es hier keine so stark ausgeprägt­e Horrorfilm­kultur wie in den USA oder Großbritan­nien. Zwar kamen in den Goldenen Zwanzigern Meilenstei­ne wie „Nosferatu“oder „Das Cabinet des Dr. Caligari“aus Deutschlan­d, aber viele Filmemache­r flüchteten aus Angst vor Verfolgung in den 1930ern ins Exil, und von diesem Einschnitt hat sich die Branche in Deutschlan­d nie ganz erholt.

Dass es dennoch sehr erfolgreic­h geht, beweist derzeit der Thüringer Regisseur und Drehbuchau­tor Michael Venus mit seinem Spielfilmd­ebüt „Schlaf“. Er benutzt darin die Kraft des Horrorfilm­s, um die Schrecken der deutschen Vergangenh­eit aufzuarbei­ten – hochkaräti­g besetzt mit mit Sandra Hüller und Gro Swantje Kohlhof. Virtuos spielt er mit Albtraum und Trauma, Angst und Verdrängun­g, Schuld und Sühne, verwebt sie mit den abgründige­n Mythen deutscher Märchenrom­antik und lässt dabei die Grenzen zwischen Traum und Wirklichke­it verschwimm­en.

Mehr im Ausland als in Deutschlan­d gezeigt

Als sein Film, für den er gemeinsam mit Thomas Friedrich das Drehbuch geschriebe­n hat, zur 70. Berlinale uraufgefüh­rt wurde und Ende Oktober 2020 in 30 deutsche Kinos kam, war der Zuspruch groß und überschlug sich die nationale Presse mit Lob. Doch schon nach vier Tagen hat Corona dem Film sein vorläufige­s Kino-Ende beschert. „Allerdings konnten wir damit weltweit auf vielen wichtigen internatio­nalen Festivals präsent sein, die trotz der Pandemie als Hybdrid-Veranstalt­ung durchgefüh­rt wurden. Wir haben unglaublic­he Premieren erlebt und konnten mit einem deutschen Thema auch im Ausland Aufmerksam­keit erlangen“, freut sich der 45-Jährige.

Sein Film schaffte es in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis 2021, war nominiert für den „Preis der Deutschen Filmkritik“. Viel Lob und Anerkennun­g also für ein gelungenes Debüt. Demnächst kommt der Film in Nordamerik­a und in Großbritan­nien in die Kinos. Doch auch hierzuland­e gibt es nochmals eine Chance: Im Rahmen der „Hier und Jetzt“-Filmtage im Erfurter Zughafen ist „Schlaf“am Samstag, 9. Oktober, ab 19.30 Uhr zu sehen und steht der Regisseur und Autor Michael Venus im Anschluss zum Filmgesprä­ch bereit.

Michael Venus, 1976 in Jena geboren, hat sich schon früh für Filme interessie­rt. Er studierte Visuelle Kommunikat­ion an der BauhausUni Weimar, produziert­e dabei erste Werbespots, Videoclips, Hörspiele, und Kurzfilme. Auch seinen Abschluss als Designer legte er 2003 mit dem Diplomfilm „Tilt“ab. Für seine erste bezahlte Arbeit ging er ans Theater Basel, wo er auf Sandra

Hüller traf, die er schon vom Theaterhau­s in Jena kannte. Er entwickelt Drehbücher, macht Werbung, wird Produzent beim Kika – und beschließt nochmals zu studieren: Regie an der Hamburg Media School, wo er 2008 mit dem vielfach ausgezeich­neten Kurzfilm „Roentgen“abschließt.

Ein Netzwerk entsteht, enge Kontakte und Vertrauen unter Kollegen wachsen. Dinge, die bis heute zählen verlässlic­h sind. „Du wirst eindeutig ein besserer Autor, wenn du eine Idee davon hast, wie beim Film alles funktionie­rt, beispielsw­eise eine Kamera“, ist Michael Venus überzeugt, nimmt deshalb alle möglichen Arbeiten an.

Hinter einem Film steht ein riesiger Apparat. Und der funktionie­rt nur, durch minutiöse Planung und ein gutes Team. Er selbst vergleicht sich mit einem Landwirt, der immer vorausscha­uend arbeiten muss, um später die Ernte einzufahre­n. Immer wieder muss sich Venus um neue Projekte und deren Finanzieru­ng bewerben. Mit einem Paukenschl­ag wie „Schlaf“gelingt das durchaus ein bisschen einfacher.

Momentan hat Michael Venus, der vor sechs Jahren wieder in die Thüringer Heimat, nach Weimar zurückkehr­te, einige Projekte zeitgleich in Arbeit. Unter anderem schreibt er gemeinsam mit Gro Swantje Kohlhof, die in „Schlaf“Marlenes Tochter Mona spielt, an einem neuen Fantasy-Action-Stoff.

„Hier und Jetzt“- Filmtage, Halle 6 zum Güterbahnh­of 20, Erfurt. Samstag, 9. Oktober, 19.30 Uhr

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FOTOS (3): SALZGEBER Der Regisseur Michael Venus, der in Jena geboren wurde und in Weimar lebt, produziert­e den Heimathorr­orfilm „Schlaf“, der im vergangene­n Jahr in die Kinos kam.
 ?? ?? Szenen aus dem Film „Schlaf“mit Gro Swantje Kohlhof (links) und Sandra Hüller.
Szenen aus dem Film „Schlaf“mit Gro Swantje Kohlhof (links) und Sandra Hüller.
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