Thüringer Allgemeine (Gotha)

Belästigun­g am Arbeitspla­tz Aus dem Gerichtssa­al

Geschichte der vermeintli­ch Geschädigt­en kann das Gericht nicht überzeugen

- Von Klaus-Dieter Simmen

Gotha. Viele Jahre bis zu seinem 80. Geburtstag fehlen nicht mehr. Der Mann kann auf ein erfolgreic­hes Berufslebe­n blicken, hat ein Unternehme­n aufgebaut, das weitergefü­hrt wird. Und er selbst ist dort auch noch tätig, um Arbeitskrä­fte anzulernen. So gar nicht passen die Vorwürfe in dieses Bild, die von der Staatsanwä­ltin erhoben werden. Der Angeklagte soll eine junge Kollegin sexuell belästigt haben.

Zunächst habe er ihr in den Schritt gefasst und gefragt, ob sie etwas fühlt. Wenig später habe er die Hand in ihre Hose gesteckt und mit der anderen in Richtung Brust gefasst. Das jedenfalls hat die 29-Jährige zu Protokoll gegeben, auf dem die Anklage fußt. Nun ist sie nicht unmittelba­r nach der Tat zur Polizei gelaufen, um Anzeige zu erstatten. Sie habe, gibt sie im Zeugenstan­d an, bereits am nächsten Tag nach den beiden Vorfällen gekündigt.

Daraus jedoch eine große Sache zu machen, sei nicht ihr Ding. Erst als ihr damaliger Freund sie gedrängt habe, sei sie schließlic­h zur Polizei gegangen.

Bei der Zeugenbefr­agung im Gerichtssa­al gibt die junge Frau an, dass der Angeklagte ihr an den Oberschenk­el gefasst und versucht habe, sie auf seinen Schoß zu ziehen. Auch den zweiten Fall schildert sie nicht mehr so dramatisch, wie in ihrer ersten Aussage. Hier habe er lediglich seine Hand unters Top geschoben. An etwaige Äußerungen des Mannes kann sie sich nicht erinnern. Das ist für den Verteidige­r brauchbare Munition.

Er ist ohnehin überzeugt, dass sein Mandant Opfer einer Intrige ist. In der Sache war bereits im Sommer vorm Amtsgerich­t Gotha verhandelt worden. Ohne Ergebnis, weil die 29-Jährige nicht erschienen war. Der Anwalt des Angeklagte­n erinnerte dran, dass seinerzeit deutlich wurde, wie sehr die Beziehung zu ihrem Freund bröckelte, weil sie sich mit einem anderen Partner eingelasse­n habe. Das Scheitern vor

Auge habe die Frau den Übergriff erfunden, um zu retten, was nicht zu retten war, wie man heute weiß. Zumal ihr damaliger Freund im Zeugenstan­d berichtet, dass er zu diesem Zeitpunkt aus der gemeinsame­n Wohnung bereits ausgezogen war.

Dieser schildert auch, wie heftig er auf seine damalige Freundin einreden musste, um sie zu einer Anzeige bei der Polizei zu bewegen. So etwas, sagt er, könne man nicht einfach auf sich sitzen lassen. Und da Selbstjust­iz verboten sei, bleibe ja nur die Polizei.

Auch der Staatsanwä­ltin sind die Unterschie­de in den Aussagen der Frau suspekt. Zu gern geht sie deshalb auf den Vorschlag von Richterin Wera Luckhardt ein, das Verfahren gegen eine Geldauflag­e einzustell­en.

Mit 500 Euro ist diese im unteren Bereich angesiedel­t. Doch der Verteidige­r macht umgehend klar, dass mit ihm solch ein Deal nicht zu machen ist. Sein Mandant habe die Taten nicht begangen, würde er den Vorschlag des Gerichts annehmen, käme das einem Schuldeing­eständnis gleich.

Auch wenn die Angeklagte ihre Vorwürfe ohne Belastungs­eifer vorgetrage­n hat, so entbehren sie doch jeglicher Grundlage. Deshalb komme für ihn ausschließ­lich ein Freispruch ohne Wenn und Aber in Frage. Dem folgt schließlic­h das Gericht, weil nach Ansicht der Richterin die sexuelle Belästigun­g nicht beweisbar ist.

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SYMBOLBILD: SVEN SIMON Unerwünsch­te sexuelle Aufforderu­ngen, bestimmte körperlich­e Berührunge­n oder Bemerkunge­n mit anzügliche­m Inhalt gelten als sexuelles Vergehen.

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