Sänger Gil Ofarim klagt Hotel an
Antisemitismus-Vorwürfe: Leipziger Westin-Hotel beurlaubt zwei Angestellte – und sieht sich neuen Anschuldigungen ausgesetzt
Leipzig/Berlin. Am Tag, nachdem Gil Ofarim in einem Kurzvideo von einem judenfeindlichen Erlebnis berichtet hatte, wirkte der Sänger immer noch schwer getroffen. „Antisemitismus ist in Deutschland mittlerweile salonfähig geworden“, sagte der 39-Jährige bei Bild TV. Während des Interviews kamen ihm die Tränen.
Einen Tag zuvor hatte er in einem selbst aufgenommenen, eine Minute und 55 Sekunden langen Video bekannt gemacht, dass ihn ein Mitarbeiter am Empfang des Leipziger Hotels Westin aufgefordert habe, seine Kette mit einem Davidstern einzupacken. Erst dann dürfe er ein- checken. Die Aufnah- me wurde millionen- fach bei Instagram und Facebook aufgerufen – und hat eine heftige Diskussion entfacht.
Das Hotel – ein Hochhaus unweit des Leipziger Hauptbahnhofs mit 436 Zimmern auf 27 Etagen – hat zwei Mitarbeiter beurlaubt. Dies gelte zunächst für die Dauer der Ermittlungen. Eine Sprecherin erklärte auf Anfrage, man sei „betroffen“. Das zur Marriott-Kette gehörende Haus konnte die Vorwürfe des Sängers aber nicht entkräften.
Beschäftigte des Hotels hielten am Dienstagabend bei einer Solidaritätskundgebung vor dem Gebäude ein Banner hoch, auf dem neben der Flagge Israels der islamische Halbmond zu sehen war. Die Reaktion zeige „gewiss eine wohlmeinende Absicht“, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, unserer Redaktion. „Gleichzeitig zeugt sie von einem großen Nachholbedarf vieler, was Wissen über Jüdischsein und den Staat Israel betrifft. Denn Gil Ofarim ist Jude und deutscher Staatsbürger, er wurde in München geboren.“
Über die antisemitische Diskriminierung des Sängers zeigte sich Klein entsetzt. „Ich möchte dem jüdischen Künstler Gil Ofarim, dem dies in Leipzig widerfahren ist, meine Anteilnahme und meine Solidarität aussprechen“, sagte er. Es sei gut und wichtig, dass er diesen „inakzeptablen Vorgang“öffentlich gemacht habe.
Was im Einzelnen passiert ist, als der Rockmusiker einchecken wollte, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Der von Ofarim angeprangerte Hotelmitarbeiter hat laut Polizei seinerseits Anzeige erstattet – wegen Verleumdung. Er habe den Vorfall „deutlich abweichend von den Auslassungen des Künstlers dargestellt“, sagte der Leipziger Polizeisprecher Olaf Hoppe. „Nun gilt es abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben und was tatsächlich an dem Tag geschehen ist.“
Vorwurf auch der Schwulenfeindlichkeit
Ofarim, der einem breiten Publikum durch Auftritte in TV-Shows wie „Let’s Dance“und „Das große Promibacken“bekannt wurde, ist der Sohn des 2018 verstorbenen israelischen Sängers Abi Ofarim. Laut seinem Management erwägt Gil Ofarim, eine Strafanzeige zu stellen. Bisher habe es keine offizielle Entschuldigung seitens des Hotels gegeben.
Er müsse die Vorkommnisse in Leipzig erst einmal verdauen und sei schockiert. „Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben“, hieß es. Ofarim war für die Aufzeichnung einer MDR-Sendung in Leipzig.
Nachdem Ofarim sein Video veröffentlicht hatte, meldete sich ein weiterer Vertreter der Musikindustrie zu Wort – und erhob ebenfalls Vorwürfe gegen das Personal. Der Schweizer Piero Vecchioli, der Künstler wie Patricia Kelly (51) managt, habe sich bei RTL gemeldet, berichtete der Sender. Der Mann gab demnach an, er sei in dem Haus im Juni 2020 von einem Mitarbeiter als „Drecksschwuchtel“beschimpft worden, nachdem er eine Beschwerde über sein Zimmer vorgetragen habe. Die Hotelsprecherin ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.