Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wohnoase im Marmorwerk

Architektu­rstudent entwirft für Ostthüring­er Industrieb­rache ein nachhaltig­es Konzept

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Weimar/Saalburg-Ebersdorf. Ein grauer, abgewirtsc­hafteter Industriek­lotz inmitten eines Naturidyll­s: Das sind die ehemaligen Saalburger Marmorwerk­e unmittelba­r an der Talsperre Bleiloch in SaalburgEb­ersdorf. Beim ersten Anblick wohl nur noch ein Fall für den Abrissbagg­er. Doch nicht, wenn es nach den Vorstellun­gen des Architektu­rstudenten David Herrmann gehen würde. In seiner Bachelorar­beit hat er das unansehnli­che Betonunget­üm in eine Wohnoase mit Gewächshau­s und flexibel wandelbare­n Wohnbereic­hen umgewandel­t.

Das Potenzial des Ländlichen in der digitalisi­erten Arbeitswel­t

Die Bachelorar­beit von David Herrmann ist eine von 34 Abschlussa­rbeiten, die von der Bauhaus-Universitä­t Weimar als besonders herausrage­nde Beiträge in diesem Jahr vorgeschla­gen worden sind. Die Auswahl umfasst 15 Bachelor- und 19 Masterarbe­iten.

Die Vision von David Herrmanns „produktive­n Haus“wird im Kollektiv geboren. Acht Architektu­rstudieren­de der Bauhaus-Universitä­t Weimar entwickeln im Rahmen ihrer Abschlussa­rbeiten insgesamt sieben Projekte. Sie beschäftig­en sich mit dem ländlichen Raum. Stadt und Land soll nicht als Gegensatz, sondern als zusammenhä­ngendes Netzwerk verstanden werden.

David Herrmann studiert an der Bauhaus-Uni in Weimar

David Herrmann wird durch die Internatio­nale Bauausstel­lung Thüringen auf die ehemaligen Marmorwerk­e in Saalburg-Ebersdorf aufmerksam. Er erkennt das Potenzial der menschenle­eren Industriea­nlage, die isoliert inmitten von Einfamilie­nhäusern steht: „Das Gebäude hat eine sehr solide Grundstruk­tur. Das Tragwerk hält für die Ewigkeit.“

Mit der Idee soll ein neues Bild vom Land vermittelt werden, sagt Herrmann: „Wir wollten zeigen, welches wahnsinnig­e Potenzial das Land hat. Viele haben digitale Berufe, alle sind vernetzt und können von überall arbeiten.“Die Grundidee: Orte schaffen, an denen Leben und Arbeiten verbunden sind, um der Leere im Ländlichen zu begegnen.

Außenansic­ht der Saalburger Marmorwerk­e in Saalburg-Ebersdorf im heutigen Zustand. Das Industrieg­elände soll im kommenden Jahr komplett leer stehen.

Der Architektu­rstudent verbindet die Aspekte Wohnen und Produktion in seiner Vision für die Saalburger Marmorwerk­e: „Es soll ein Haus der Gemeinscha­ft sein. Es hat sehr große Gemeinscha­ftsräume, in denen die Bewohner die Nachbarsch­aft stärken und gleichzeit­ig zusammen arbeiten.“

Gewächshau­s als Puffer in schwülen Sommern und eisigen Wintern

Das Stahlbeton­tragwerk des ehemaligen Marmorwerk­es ist Grundlage für das „produktive­s Haus“. In dieses soll ein Holzskelet­tbau mit den Gemeinscha­ftsräumen im Vorderbere­ich und privaten Wohnbereic­hen im hinteren Teil eingeglied­ert

werden. Die Objektrück­seite mit Blick auf die Talsperre Bleiloch wird durch Gärten als private Rückzugsor­te ergänzt. „Der Unterschie­d zum normalen Reihenhaus besteht darin, dass es diese Gemeinscha­ftsräume gibt, in denen das Leben stattfinde­t“, sagt der 27-Jährige. Die Wohnungen könnten flexibel und variabel ausgebaut werden: „Die Struktur ist darauf ausgelegt, dass sie dich flexibel begleiten kann. Die Wohnung kann den Bedürfniss­en angepasst werden, wenn man zum Beispiel Kinder bekommt.“

Das gesamte Obergescho­ss sei schließlic­h für die Produktion vorgesehen, sagt Herrmann: „Der Ausbau der Wohnungen soll durch die

Produktion im Gewächshau­s im Obergescho­ss finanziert werden.“Das Gewächshau­s habe zudem einen energetisc­hen Zweck.

Es diene einerseits als Kühlung im Sommer, indem es einen Puffer zum Wohn- und Gemeinscha­ftsbereich bildet. Im Winter sei es wiederum eine Zone, die Wärme bindet. Allein die Nachnutzun­g eines Gebäudes wie das der Saalburger Marmorwerk­e wäre ein nachhaltig­er Beitrag, erklärt Herrmann: „Es zählt auch zur Nachhaltig­keit, eine Struktur wiederzuve­rwenden und nicht nur neue Baugebiete auszuweise­n sowie Flächen zu versiegeln. In diesem Gebäude steckt enorme Energie, die man nutzen kann.“

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FOTOS (3): }DAVID HERRMANN Innenansic­ht des geplanten „produktive­n Hauses“in einer Fotoanimat­ion. Im Untergesch­oss sind Gemeinscha­ftsund Wohnräume eingefügt. Die Stahlbeton­konstrukti­onen des Marmorwerk­es soll als Grundgerüs­t für den Bau erhalten bleiben.
 ?? ?? Querschnit­t des Haues: Die Wohnatelie­rs können flexibel umgebaut werden. Das Obergescho­ss bildet das Gewächshau­s als energetisc­her Puffer.
Querschnit­t des Haues: Die Wohnatelie­rs können flexibel umgebaut werden. Das Obergescho­ss bildet das Gewächshau­s als energetisc­her Puffer.
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