In der Halle aus dem Häuschen
Zwei umjubelte Stunden lang gastiert Schlagzeuger Wolfgang Haffner mit seiner Dreamband bei „Jazz in the City“im Zughafen
Erfurt. Ein Solo gehört dem Publikum. Es solle einfach mal komplett ausflippen, bittet Wolfgang Haffner: Erfurter Applaus „für ein eventuelles Live-Album“, für das alle Tourkonzerte mitgeschnitten werden, in Frankfurts Alter Oper, Berlins Admiralspalast oder Erfurts Zughafen.
Abgesehen davon, dass wir um dieses Album gefälligst auch gebeten haben wollen, zumal dergleichen die adäquateste Form ist, Jazz zu konservieren: Haffner hätte nur warten müssen. Die rund 250 „Jazz in the City“-Gäste ergriffen auch so jede Gelegenheit, aus dem Häuschen zu geraten. Es boten sich derer viele, bevor Halle 6 nach zwei famosen Stunden stehend applaudierte. Haffner hatte sich seine All-StarBand zusammenträumen dürfen, in deren Zentrum er mit seinen Kompositionen noch mehr rückt als mit seinem Schlagzeug. Als „Dreamband“wurde sie Wirklichkeit, als ein Septett der Generationen: vom coolen Trompeter Randy Brecker, bald 76, bis zum lässigen Keyboarder Simon Oslender, 23, der mit E-Bassist Thomas Stieger auch im Haffner-Trio aufhorchen lässt. Hinzu gesellten sich der Fusion-Saxofonist Bill Evans, der Funk-Posaunist Nils Landgren und der AllroundVibrafonist Christopher Dell.
Dass lauter Stars noch keine Mannschaft sind, mag im Fußball gelten, im Jazz aber wird man ohne
Teamfähigkeit gar nicht erst einer. So durften wir neben sattem Sound aufeinander abgestimmte, einander zugewandte Virtuosität erwarten und wurden keinesfalls enttäuscht.
Das begann funky, funky mit „Soulbop“von Bill Evans und seiner gleichnamigen Band mit Randy Brecker, in der auch Haffner schon trommelte, und ging sofort direkt vom Ohr hinab bis in die Füße, die sich fortan weigerten stillzuhalten. Alle Ruh’ war gleich dahin.
In Klassikern, in Joe Zawinuls „Walk Tall“oder auch Nat Adderleys „Sweet Emma“, verschärften sie das Tempo, widerborstige Bläsersoli konterkarierten den Groove aufs Schönste. Auch sonst rockte Evans vor allem sein Tenorsaxofon, melancholisch wurde er am Piano, wo er sein Americana-Lied „Bones From The Ground“sang. Landgren trug verhalten innig Brenda Russells Song „Get Here“vor, an vibrierender roter Posaune wetteiferte der Kopf mit dem Instrument um die tiefere Färbung. Brecker verzerrte seine Trompete zuverlässig maßvoll am Distortion-Pedal, Dell bearbeitete das Vibraphon mit viel Verve.
Im Trio unternahm Haffner derweil Ausflüge ins Klangexperimentelle, derweil der Abend insgesamt immer nach vorne trieb, wenn er auch musikalisch nicht nach vorne wies. Haffner hat ihn vielmehr wie eine vorläufige Retrospektive aufgebaut, mit ebenso viel Gespür für Dramaturgie wie Entertainment.