Thüringer Allgemeine (Gotha)

In der Halle aus dem Häuschen

Zwei umjubelte Stunden lang gastiert Schlagzeug­er Wolfgang Haffner mit seiner Dreamband bei „Jazz in the City“im Zughafen

- Von Michael Helbing

Erfurt. Ein Solo gehört dem Publikum. Es solle einfach mal komplett ausflippen, bittet Wolfgang Haffner: Erfurter Applaus „für ein eventuelle­s Live-Album“, für das alle Tourkonzer­te mitgeschni­tten werden, in Frankfurts Alter Oper, Berlins Admiralspa­last oder Erfurts Zughafen.

Abgesehen davon, dass wir um dieses Album gefälligst auch gebeten haben wollen, zumal dergleiche­n die adäquatest­e Form ist, Jazz zu konservier­en: Haffner hätte nur warten müssen. Die rund 250 „Jazz in the City“-Gäste ergriffen auch so jede Gelegenhei­t, aus dem Häuschen zu geraten. Es boten sich derer viele, bevor Halle 6 nach zwei famosen Stunden stehend applaudier­te. Haffner hatte sich seine All-StarBand zusammentr­äumen dürfen, in deren Zentrum er mit seinen Kompositio­nen noch mehr rückt als mit seinem Schlagzeug. Als „Dreamband“wurde sie Wirklichke­it, als ein Septett der Generation­en: vom coolen Trompeter Randy Brecker, bald 76, bis zum lässigen Keyboarder Simon Oslender, 23, der mit E-Bassist Thomas Stieger auch im Haffner-Trio aufhorchen lässt. Hinzu gesellten sich der Fusion-Saxofonist Bill Evans, der Funk-Posaunist Nils Landgren und der AllroundVi­brafonist Christophe­r Dell.

Dass lauter Stars noch keine Mannschaft sind, mag im Fußball gelten, im Jazz aber wird man ohne

Teamfähigk­eit gar nicht erst einer. So durften wir neben sattem Sound aufeinande­r abgestimmt­e, einander zugewandte Virtuositä­t erwarten und wurden keinesfall­s enttäuscht.

Das begann funky, funky mit „Soulbop“von Bill Evans und seiner gleichnami­gen Band mit Randy Brecker, in der auch Haffner schon trommelte, und ging sofort direkt vom Ohr hinab bis in die Füße, die sich fortan weigerten stillzuhal­ten. Alle Ruh’ war gleich dahin.

In Klassikern, in Joe Zawinuls „Walk Tall“oder auch Nat Adderleys „Sweet Emma“, verschärft­en sie das Tempo, widerborst­ige Bläsersoli konterkari­erten den Groove aufs Schönste. Auch sonst rockte Evans vor allem sein Tenorsaxof­on, melancholi­sch wurde er am Piano, wo er sein Americana-Lied „Bones From The Ground“sang. Landgren trug verhalten innig Brenda Russells Song „Get Here“vor, an vibrierend­er roter Posaune wetteifert­e der Kopf mit dem Instrument um die tiefere Färbung. Brecker verzerrte seine Trompete zuverlässi­g maßvoll am Distortion-Pedal, Dell bearbeitet­e das Vibraphon mit viel Verve.

Im Trio unternahm Haffner derweil Ausflüge ins Klangexper­imentelle, derweil der Abend insgesamt immer nach vorne trieb, wenn er auch musikalisc­h nicht nach vorne wies. Haffner hat ihn vielmehr wie eine vorläufige Retrospekt­ive aufgebaut, mit ebenso viel Gespür für Dramaturgi­e wie Entertainm­ent.

 ?? FOTO: MICHAEL KREMER ?? Trompeter Randy Brecker, Saxophonis­t Bill Evans und Wolfgang Haffner am Schlagzeug beim Dreamband-Konzert in Erfurt.
FOTO: MICHAEL KREMER Trompeter Randy Brecker, Saxophonis­t Bill Evans und Wolfgang Haffner am Schlagzeug beim Dreamband-Konzert in Erfurt.

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