Der Mythos Zeiss
Mitarbeiter berichten zum 175-Jährigen des Unternehmens über ihre Tätigkeit und den Ruf der Zeissianer
Jena. Am Mittwoch vor 175 Jahren eröffnete Carl Zeiß seine feinmechanisch-optische Werkstatt in der Neugasse 7 in Jena. Der von der Carl Zeiss AG geplante Festakt zum Jubiläum im Volkshaus am Dienstagabend findet aufgrund der Corona-Lage nur virtuell statt.
Zu DDR-Zeiten beschäftigte das Carl-Zeiss-Kombinat in der Spitze 30.000 Menschen in Jena und Umgebung. Heute arbeiten 2300 Zeissianerinnen und Zeissianer in der Stadt. Uns haben fünf von ihnen berichtet, was sie heute herstellen und wie es um den Mythos Zeiss steht.
Bei Zeiss leite ich im Bereich Planetarien die Softwareentwicklung. Unsere Programme steuern nicht nur die Sternenprojektoren, den Ton und das Licht in der Kuppel, sondern erlauben die Überlagerung der optomechanischen Projektion mit digitaler Projektion. Während bei klassischen Planetarien der Blick ins Weltall fast nur aus der Position der Erde möglich ist, erlaubt die neue Technik, die Tiefen des Weltalls wie in einem Raumschiff kennenzulernen. Wir pflegen regelmäßig neue Daten beispielsweise der Nasa ein, um das Projektionserlebnis noch detailreicher zu gestalten.
Nach meiner Promotion an der Technischen Universität München im Bereich der Computergrafik war es ein Glückstreffer, 2015 die Stelle bei Zeiss in Jena gefunden zu haben. Geforscht habe ich zum Visualisieren großer Landschaften. Hier kann ich mich auf meinem Spezialgebiet in einem Traditionsunternehmen, das weltweit einen hervorragenden Ruf genießt, verwirklichen. Das typische Programmieren ist nur eine meiner Aufgaben, zu denen auch die Planung der Entwicklungsschritte oder der Test der Software in unserer Kuppel gehört.
Die Informatik nimmt eine rasante Entwicklung, gerade auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Grafikkarten werden immer leistungsfähiger. Diese Möglichkeiten wollen wir ausnutzen, um künftig ein noch realistischeres Erlebnis in den Planetarien zu ermöglichen.
Im zweiten Anlauf bin ich bei Zeiss glücklich geworden. 1987 war ich aus dem Kreis Heiligenstadt nach Jena gezogen, habe Feinmechanikerin gelernt und bin meinem Mann begegnet. Nach der Wende kämpften wir auf Demos für den Standort-Erhalt. Allen war klar, dass in der Marktwirtschaft Arbeitsplätze abgebaut werden mussten. Die Zeit der Planwirtschaft war vorbei. Leider gehörte ich zu jenen, die gehen mussten, weil ich jung und unverheiratet war und keine Kinder hatte. Wichtig für Jena war, dass der Standort gerettet wurde.
Ich habe eine zweite Lehre absolviert und viele Jahre lang in einem Supermarkt in der Goethe-Galerie, am Ort des ehemaligen Hauptwerkes, gearbeitet. Mein Mann wechselte vor einigen Jahren wieder zu Zeiss und spornte mich an, mich auch zu bewerben. Zum Vorstellungsgespräch vor dreieinhalb Jahren war ich schon aufgeregt, ob ich die Anforderungen erfüllen kann. Mein Team hat mich super aufgevon
Christian Dick ist Informatiker und testet in der Kuppel des Zeiss-Werks die Software für den Sternenprojektor Asterion (links) in Kombination mit Velvet-Digitalprojektoren.
Markus Strehle sitzt an einem IOL Master 700, der Augen vermisst und so die Parameter für die Ersatzlinse bei Grauer-Star-Operationen bestimmt.
nommen und eingearbeitet. Heute ärgere ich mich, dass ich diesen Schritt nicht schon zehn Jahre eher gegangen bin. Die Arbeit im Handel ist für Frauen viel schwerer als hier. Schade, dass sich nur wenige Mädchen für den Beruf interessieren.
Heute montiere ich die Stative für die Mikroskop-Plattform Axio Observer. Diese werden bei uns nach Kundenwunsch zusammengestellt. Dass Zeissianer sehr penibel sind, kann ich bestätigen. Kunden haben eine Erwartung, wenn sie ein ZeissGerät kaufen. Diese gilt es für uns zu erfüllen – und das ist auch mein Anspruch.
Ganz klassisch poliere ich Linsen mit der Hand, die in Lasergeräten zur Korrektur von Augenkrankheiten zum Einsatz kommen. Der Linsendurchmesser beträgt dabei weniger als ein Zentimeter, so dass die Bearbeitung nicht maschinell erfolgen kann. Bei der Vorpolitur hilft mir eine Maschine, aber die
Ute Buttgereit ist für das Gerät AIMS verantwortlich, das solche Photomasken für die Chipproduktion auf Defekte scannt.
abschließende Feinarbeit übernehme ich am Drehteller. Je unregelmäßiger dabei meine Handbewegungen sind, desto besser wird das Ergebnis. Mit dem Interferometer prüfe ich anschließend die Genauigkeit des Radius und kontrolliere mit dem Mikroskop die Sauberkeit der Oberfläche. Dieser Prozess nimmt je nach Geometrie der Linse mindestens zehn Minuten pro Exemplar in Anspruch. Jede Linse trägt zur Qualitätssicherung eine Seriennummer.
Der Name Zeiss genießt beim Kunden einen guten Klang. Ich bin dankbar und glücklich, dass ich hier arbeiten darf und bin stolz auf die Erfolge meines Unternehmens. Meine Eltern waren schon bei Zeiss beschäftigt. Mitte der 1990er-Jahre habe ich viele Bewerbungen geschrieben, um einen der wenigen Ausbildungsplätze zu ergattern. Es war ein großer Glücksfall, eine Lehrstelle – und dann sogar bei Zeiss – zu bekommen. Heute hat sich das Bild gewandelt. Wir suchen händeringend Nachwuchs für unsere Abteilung, weil auch in Zukunft trotz aller Automatisierung noch Feinoptiker benötigt werden.
Als wir neu in Jena waren, sagte ein Zeissianer alter Schule zu mir: „Die Sechskantschraube am Laufrad Ihres Sohnes steht nicht nach oben.“Heute hat Zeiss ein anderes Credo: Wir entwickeln Produkte, die medizinischem Fachpersonal helfen, die Lebensqualität ihrer Patienten zu verbessern. Die Zeiss Medizintechnik wandelt sich immer stärker vom Gerätehersteller hin zum Lösungsanbieter. Ärzte diagnostizieren und behandeln mit unserer Technik – gute Software vernetzt die Geräte miteinander.
Als Entwicklungsleiter für den Zeiss-Medizintechnik-Standort Jena trage ich Verantwortung für augenoptische Geräte. Wir stellen unter anderem Spaltlampen für die Diagnostik her. Aber auch Geräte, die vor der Kataraktbehandlung die Parameter der notwendigen Ersatzlinse berechnen. Ärzte in aller Welt behandeln mit unserem „VisuMax“die Fehlsichtigkeit mit einer Laserkorrektur. Direkt nach der Promotion in Würzburg war ich 2001 in der zentralen Forschungsabteilung
Zeiss in Jena eingestiegen. Die Stelle in der biomedizinischen Laseranwendung war wie auf mich zugeschnitten. Den Umzug nach Jena haben meine Frau und ich nie bereut. Jena gilt zu Recht als einer der Leuchttürme im Osten. Zeiss bietet eine Verbindung aus wissenschaftlichem Arbeiten und dem Blick fürs Produkt.
Alle Lösungen, die wir herstellen, helfen den Menschen. Daraus schöpfe ich große Motivation.
Zeiss verbinden viele mit der Linsenfertigung oder Mikroskopie. Der Halbleiterbereich wirkt aber nur auf den ersten Blick exotisch. Mikrochips bestehen aus 20 bis 60 übereinanderliegenden Schichten mit feinsten Strukturen, für die es jeweils eine bis zu 200.000 Euro teure Photomaske als Vorlage benötigt. Weil Störstellen auf einer Maske in jeden Chip vervielfältigt werden, müssen die Masken möglichst fehlerfrei sein. Unser System identifiziert jene Stellen, die ausgebessert werden müssen. Alle großen Maskenhersteller weltweit nutzen unsere Geräte.
Als Leiterin Produktmanagement bei Carl Zeiss SMT bilde ich mit meinem Team die Schnittstelle zwischen Entwicklung und Kunden. Wir nehmen die Anforderungen aus dem Markt auf und übersetzen diese in die Anforderungen für unsere Geräte. Vor der Corona-Pandemie war ich deshalb mehrfach jährlich auf Dienstreisen in Asien oder in den USA unterwegs.
Meinen Job finde ich sehr spannend, weil wir physikalisch an der Grenze des Machbaren arbeiten. Physik hatte ich einst in Leipzig studiert und zunächst für Robotron gearbeitet, bis Schott meine Abteilung übernahm. 2006 wechselte ich zu Zeiss. Wir haben hier den Anspruch, sehr exakt zu arbeiten, auch wenn nicht mehr jeder Stift auf dem Schreibtisch gerade ausgerichtet sein muss, wie es einst gewesen sein soll. Der wissenschaftliche Aspekt wird nach wie vor sehr großgeschrieben. Und die nächsten Fortschritte stehen bevor. Die kommenden Chipgenerationen werden mit leichter Röntgenstrahlung hergestellt, was neue technische Herausforderungen mit sich bringt.