Thüringer Allgemeine (Gotha)

Piollet schafft ekstatisch ein Seelengemä­lde

Staatskape­lle Weimar spielt Mahlers Siebte

- Von Jan Kreyßig

Weimar. „Der Mann ist ein Monster!“schrieb der kluge Pianist Glenn Gould einst über Gustav Mahler, den er als manipulati­ven Karrierist­en einstufte. Doch diente Mahlers berufliche­s Endziel, die Leitung der Wiener Hofoper, nur seinem Ego, oder doch vor allem und letztlich kompromiss­los der Kunst? In den Theaterfer­ien jedenfalls komponiert­e er seine weltumarme­nden Sinfonien, auch die siebte, die am Sonntag von der Staatskape­lle Weimar unter der Leitung von Marc Piollet in der Weimarhall­e aufgeführt wurde.

Piollets ekstatisch wirkende Motivation, die er sichtlich auf das Orchester zu übertragen vermochte, suchte im 1. Satz dramaturgi­sch und dynamisch noch das rechte Maß. Gerade ein 80-minütiges sinfonisch­es Seelengemä­lde benötigt für die Rezeption all seiner Klangfarbe­n einen sorgsamen Aufbau. Dieser wollte dem in Paris gebürtigen Dirigenten, mit erstaunlic­h biegsamer Körperspra­che beinahe tanzend, nicht recht gelingen: Zu pompös fiel er gewisserma­ßen mit der Tür ins Haus.

In den ruhigen Mittelsätz­en zeigte Piollet dann jedoch dank großer Übersicht und präziser Gestik einen Sinn für das Kammermusi­kalische, der den Mahlersche­n Nachtmusik­en zur wunderbar differenzi­erten Entfaltung verhalf. Die rund 100-köpfige Staatskape­lle ließ ihn dabei in Klangperle­n baden: sei es die aus Chemnitz geliehene weiche Lyrik von Konzertmei­sterin Heidrun Sandmann, die Brillanz von Soloflötis­t Nikolai Jaeger oder die Samtigkeit von Solohornis­t Emanuel Jean-Petit-Matile.

Besonders eindringli­ch geriet das Andante amoroso des vierten Satzes, verzaubert von der schmachten­den Mandoline Christian Laiers und der innigen Solooboe Frank Sonnabends. Das pasticcioh­afte Finale ist schwer zu strukturie­ren, doch die Weimarer Staatskape­lle behielt ihren Kompass mit glühenden Streichern, kraftvolle­n Bläsern und furiosem Schlagwerk stets im Auge.

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