#LANGENICHTGEHÖRT Alle Schattierungen von Grau
Zehn Jahre ist es nun schon wieder her, dass R.E.M. ihre Trennung bekanntgaben. Die Band bleibt trotzdem präsent und kuratiert alle Jubeljahre eine Wiederveröffentlichung eines ihrer oft epochalen Alben. Dieses Jahr steht das 25-jährige Jubiläum von „New Adventures in Hi-Fi“an, ein Album, das oft unterbewertet in der Bandgeschichte wahrgenommen wird.
R.E.M. befinden sich Mitte der Neunziger erstmals seit sechs Jahren wieder auf Tour, um ihre sogenannte Rock- und Punkplatte „Monster“in den Stadien zu spielen. Zuvor hatten sie mit den Alben „Out of Time“und „Automatic for the People“– und Songs für die Ewigkeit – Weltruhm erlangt. Aus Indiesind Superstars geworden.
Auf der Tournee schreiben und nehmen sie weiter auf – im Tourbus, bei Soundchecks, Backstage; im Studio wird etwas nachgebessert. Das Ergebnis: Rockiger, schroffer und dreckiger als „Monster“gerät „Hi-Fi“, ohne Markenzeichen zu vernachlässigen, wie das versöhnliche „Electrolite“oder das folkige „New Test Leper“zeigen.
Doch Songs wie das dräuende „How the West was won and where it got us“, ein Stück dunkel schimmerndes Americana mit zerklüftetem Jazz-Piano, stoßen Türen auf. Oder die melancholische erste Single „E-Bow The Letter“mit Pattie Smith und der Erkenntnis: Angst schmeckt wie Aluminium.
Einer der besten und beklemmendsten Stücke ist „Leave“, ein vertonter Gegensatz: dort lärmende Sirenen und fräsende E-Gitarren, hier die zerbrechliche Stimme des Sängers. Es ist kaum auszuhalten, wenn Michael Stipe im Refrain unerbittlich und fragil fleht: „To leave, believe it, leave it all behind“.
Die Wiederveröffentlichung glänzt nicht mit Masse, was man nach einem Jahr auf Tour erwartet hätte. Immerhin 13 Bonustracks mit B-Seiten, Live-Stücken und Outtakes gibt es in der Expanded Edition (zwei CD) zum remasterten Album sowie ein Poster, Postkarten und ein neues Booklet. Die Deluxe Edition (zwei CD/eine Blu-ray) hat zudem einen 64-minütigen Promo-Film, Musikvideos und das Album in Hi-Res- und 5.1-Surround-Sound sowie ein Buch.
Nach dem Album steigt Schlagzeuger Bill Berry aus – ein Schock. Dann: Die anderen machen zu dritt weiter. So schön grau – in all seinen Schattierungen – und kantig klangen R.E.M. aber nie wieder.
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